Story

Trotz Diabetes führe ich ein erfülltes Leben

Zuletzt aktualisiert am 28. Februar 2023 Erstmals publiziert am 11. Juni 2020

Markus Moor ist seit 36 Jahren zuckerkrank. An das Leben mit der Insulinspritze hat er sich gewöhnt. Die Diagnose Diabetes war für ihn keine Hiobsbotschaft.

An die vier Wochen Aufenthalt im Kinderspital Aarau habe ich mehrheitlich positive Erinnerungen. Wir Kinder und die Pflegenden machten manchmal Rasierschaum-«Schlachten» auf der ganzen Abteilung. Wir waren ein wirklich gutes Team. Ein Hausarzt hatte mich damals in das Kinderspital eingewiesen, weil er bei mir Diabetes Typ 1 festgestellt hatte. Ich fühlte mich immer müde und schlapp. Zudem hatte ich ständig Durst und musste sehr häufig Wasser lösen. Meine Familie und mein Umfeld reagierten damals schockiert, betroffen und etwas hilflos auf die Diagnose. Ich persönlich konnte den Begriff «zuckerkrank» im Alter von zehn Jahren schlecht einordnen. Irgendwie war ich froh, dass die Ursache für meine Beschwerden gefunden war. Aber damit begann auch die etwas mühsame Zeit mit den Spritzen. Vor mehr als 30 Jahren war das viel umständlicher als heute. Man musste das Insulin in Spritzen mit dicken Nadeln aufziehen und dann injizieren. Schon morgens musste ich entscheiden, wie viel und was ich tagsüber essen wollte. Und mich dann konsequent an den Plan halten. Plötzlich musste ich also meine Mahlzeiten genau abwiegen. Trotz allem wollte ich schon als Kind und Jugendlicher meine Krankheit selbst managen, selbst über mich und mein Leben bestimmen. Dadurch wurde ich schon früh selbstständig.

Funktionale Pens statt dicker Spritzen

Heute ist das Leben mit Diabetes dank der medizinischen Fortschritte viel einfacher. Mit dem Basis-Bolus-System kann ich meinen Blutzuckerspiegel gut einstellen. Basis-Bolus ist eine Kombination aus einem langwirkenden Insulin für die Grundversorgung und einem kurzzeitwirkenden Insulin, das ich zu den Mahlzeiten spritze. Für die schmerzlose Injektion benutze ich einen Pen. Diese Pens sehen aus wie dicke Kugelschreiber mit einer sehr feinen Nadel. Die gewünschte Insulinmenge kann im Handumdrehen eingestellt werden. Die Krankheit schränkt mein Leben heute nicht mehr ein. Ich lebe mit meiner Partnerin in Safenwil und arbeite als Product Owner und Teamleiter bei einer Softwarefirma. Energie tanke ich oft und sehr gerne beim Gitarrespielen und beim Fotografieren. Ich bin vielseitig interessiert, schätze den Umgang mit Menschen, und kaum jemand bemerkt meinen Diabetes. Eine wichtige Rolle im Umgang mit der Krankheit spielt die Erfahrung. Inzwischen habe ich ein so verlässliches Körpergefühl, dass ich meinen Blutzucker sehr gut einschätzen kann. Nur selten liegt mein Empfinden neben der Messung. Auch die Messungen sind inzwischen komfortabler geworden. Dank Sensoren auf der Haut wird der Blutzucker auf dem Smartphone angezeigt. Der klassische Stich in die Fingerkuppe entfällt. Neben meiner eigenen Erfahrung spielt der Austausch mit dem Unispital Zürich für mich eine wichtige Rolle. Alle drei bis vier Monate gehe ich zur Kontrolle des HbA1c. Das ist der Langzeitwert zum durchschnittlichen Blutzuckergehalt. Dieser hilft mir, meine Insulindosierung ständig zu verfeinern. Bei diesen Kontrollen kann ich wertvolle Erfahrungen austauschen. Denn wie bei anderen Krankheiten reagieren Patienten mit Diabetes sehr individuell auf Therapien.

Den Diabetes zum „Freund“ machen

Ob mein Leben ohne Diabetes einen anderen Verlauf genommen hätte? Ja, ich denke schon. Mein Leben wäre ein anderes. Nicht besser oder schlechter, aber anders. Ich hätte vielleicht meinen Traumberuf Pilot verwirklichen können, wer weiss. Manchmal habe ich mich gefragt, warum gerade ich Diabetes habe. Aber das war eigentlich nur in der Frühphase der Krankheit. Mit Bestimmtheit kann ich heute sagen, dass ich dank des Diabetes wohl ein gesünderes und bewussteres Leben geführt habe. Schon als Teenager habe ich deshalb konsequent auf Rauchen und Alkohol verzichtet. Es hat mich auch gezwungen, mir schon in frühen Jahren Gedanken zu Leben und Tod im Allgemeinen zu machen, was mich damals sicherlich reifer gemacht hat. Ich wollte schon früh Verantwortung übernehmen und tue das bis heute. Der Diabetes ist inzwischen ein wichtiger Teil von mir – ich möchte die Erfahrungen daraus nicht missen.