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Schwachstelle Schultergelenk

Zuletzt aktualisiert am 28. Januar 2022 Erstmals publiziert am 14. August 2019

Verletzungen an den Bändern gehören zu den häufigsten Sportverletzungen. Viele kennen den Bänderriss am oberen Sprunggelenk. Weniger bekannt, aber ebenso so häufig ist die Bandverletzung an der Schulter. Was die Ursachen der sogenannten Schultereckgelenksprengung sind und wie sie behandelt wird.

​Reitern, Fahrrad- und Motorradfahrern kann es passieren: Sie steigen oder stürzen vom Pferd bzw. ihrem Gefährt und wollen sich mit den Händen auffangen. Ein kurzer, schmerzhafter Moment: Entweder ist das Handgelenk gebrochen oder das Schultereckgelenk – das Gelenk zwischen Schlüsselbein und Schulter – verschiebt sich. «Das Schultereckgelenk ist eine Schwachstelle. Wenn der Arm abgespreizt ist und einen plötzlichen Stoss erhält, zieht der vordere Brustmuskel die Kugel aus dem Gelenk», erklärt der Direktor der Klinik für Traumatologie Hans-Christoph Pape, Prof. Dr. med. In der Folge zerreissen Kapsel und Bänder des Schultereckgelenks, im schlimmsten Fall vollständig.

Operation nur in schweren Fällen nötig
Ist das Schultereckgelenk nur wenig verschoben, die Bänder also lediglich gezerrt oder teilweise gerissen, erübrigt sich eine Operation. Dann reicht es, den Arm drei Wochen in einer Schiene ruhig zu stellen. Das Gewebe vernarbt und wird wieder fest. Ist das Gelenk jedoch richtig verschoben und die Bänder gerissen, verschiebt sich das äussere Schlüsselband. In diesem Fall spricht man vom Klaviertastenphänomen. «Das Schlüsselbein steht hoch. Man kann es von Hand leicht nach unten drücken, wie eine Klaviertaste», erläutert Hans-Christoph Pape.

In diesem Fall muss operiert werden. Die Bänder werden genäht und das Schlüsselbein am Schultergelenk fixiert. Am USZ wird dabei die sogenannte Flip-Technik (TightRope) angewandt: Zuerst wird in Schlüsselbein und Schultereckgelenk ein ganz feines Loch gebohrt. Dann nehmen die Chirurgen einen extrem festen Faden. «Solche Fäden werden auch für Fallschirmsprungtücher verwendet, da ist Metall drin», verdeutlicht Hans-Christoph Pape. Diesen führen sie durch die beiden kleinen Löcher. Am Ende des Fadens befindet sich ein kleiner Metallclip, der anschliessend umklappt. «Dann müssen wir den Faden nur noch festziehen und sauber verknoten». Diese Technik wird auch bei Bandverletzungen am Sprunggelenk angewendet.

Kurze Operation, kleine Narbe
Die Operation dauert etwa 40 Minuten und hinterlässt lediglich eine kleine Narbe von ca. einem Zentimeter. «Schultereckgelenkssprengungen operieren wir am USZ seit etwa 10 Jahren mit dieser Technik», erzählt Hans-Christoph Pape. Pro Jahr sind es etwa 55 Patientinnen und Patienten. Eine von Hans-Christoph Pape geleitete Studie zeigt, dass die meisten Spitäler in der Schweiz diese minimal-invasive Methode anwenden. Platten kommen nur noch dann zum Einsatz, wenn es sich um eine kombinierte Verletzung handelt, wenn also das Band gerissen und zusätzlich eine Fraktur vorhanden ist. «Das kommt fast nur bei Hochenergie- und Hochgeschwindigkeits-Sportarten vor», erklärt der Klinikdirektor. Die Bewegungsenergie des eigenen Körpers, die beispielsweise Leichtathleten nutzen, reicht nicht, um Knochen zu brechen. Schwere Schulter- oder Knieverletzungen erleiden deshalb oft Motorrad-, E-Bike oder Downhill-Fahrer.

Training langsam steigern
Komplett verhindern kann man Schulterverletzungen und sonstige Sportverletzungen nicht. Von Vorteil ist aber, wenn sportlich aktive Menschen ihr Training nicht zu schnell steigern. Hans-Christoph Pape spricht aus Erfahrung: «Am meisten gefährdet sind Personen, die untrainiert innerhalb kurzer Zeit auf eine grosse sportliche Belastung trainieren. Auf einen Marathon sollte man sich beispielsweise länger als drei Monate vorbereiten». Er empfiehlt deshalb unbedingt ein Intervall-Training. Studien haben zudem gezeigt, dass viele Sportverletzungen eine Vorgeschichte haben. Oft sind Miniverletzungen bereits vorhanden, die dann bei einer plötzlichen, grossen Belastung zu einer grösseren Verletzung führen können.

Verletzt man sich trotzdem, ist es wichtig, dass ein Facharzt einen Blick auf die Verletzung wirft. Auch wenn nichts gebrochen ist, kann es sein, dass sich beispielsweise nach Sehnenverletzungen die Gelenke abnutzen. Lassen Schmerzen auch Wochen nach einem Unfall nicht nach, lohnt sich jedenfalls der Gang zum Arzt.

Sie wollen mehr wissen?
Schulterverletzungen werden am USZ in der Klinik für Traumatologie behandelt.

Studie über verschiedene Behandlungsstrategien bei Verletzungen des Schultereckgelenks : www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30904018.

 

Das USZ ist offizieller Medical Partner von Weltklasse Zürich: Traumatologen, Kardiologinnen, Radiologen und Physiotherapeuten kümmern sich während des Events um die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler.

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