Neuroendokriner Tumor

NET

Neuroendokrine Tumoren (NET) sind seltene Krebserkrankung. Sie entwickeln sich aus den neuroendokrinen Zellen, die in vielen Organen zu finden sind, vom Nervensystem kontrolliert werden und Botenstoffe oder Hormone ausschütten. Neuroendokrine Tumore wachsen typischerweise langsam und verursachen oft keine Symptome. Dadurch bleiben sie häufig lange Zeit unentdeckt. Die Therapie beinhaltet wenn möglich die operative Entfernung des Tumors, nicht operable oder ausgedehnt metastasierte Tumoren werden mit Hormontherapie, Chemotherapie, molekular zielgerichteten Substanzen oder Radionuklidtherapie behandelt. Wird ein NET frühzeitig erkannt, ist er meist vollständig heilbar.

Überblick: Was ist ein NET?

Ein neuroendokriner Tumor ist eine bösartige Neubildung aus neuroendokrinen Zellen, die überall im Körper vorkommen. Daher gibt es verschiedene Arten von NET, zu denen im klassischen Sinne gastrointestinale (im Magen-Darm-Trakt) und pankreatische (in der Bauchspeicheldrüse) NET sowie NET der Lunge gehören.

Da sich neuroendokrine Zellen vor allem im Magen-Darm-Trakt und in der Bauchspeicheldrüse (Magen, Dünndarm, Blinddarm, Dickdarm) befinden, kommen hier NETs am häufigsten vor. Aus diesem Grund werden neuroendokrine Tumore auch als GEP-NET (= gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumore) bezeichnet. Neuroendokrine Tumore kommen darüber hinaus auch in Lunge, Thymus, Schilddrüse und Nebenniere vor.

NET – Häufigkeit und Alter

NET sind seltene Tumore mit einer Inzidenz von 2,5-5 Neuerkrankungen/100.000 Einwohner weltweit (0,2 % – 5 % aller Tumoren sind NET). Allerdings nehmen die registrierten Neuerkrankungen in den letzten Jahren zu. Ein möglicher Grund hierfür könnten verbesserte Diagnoseverfahren sein.

Ein neuroendokriner Tumor tritt überwiegend bei Menschen im höheren Lebensalter auf (Durchschnittsalter bei Diagnose 50-60 Jahre), wobei es keine Geschlechtsunterschiede gibt. Männer und Frauen sind also gleichermassen betroffen.

NET: Ursachen und Risikofaktoren

Derzeit ist noch weitgehend unbekannt, wodurch ein neuroendokriner Tumor entsteht. Die hormonbildenden Zellen, aus denen sich ein NET entwickelt, können fast überall im Körper vorkommen. Dadurch lassen sich auch Risikofaktoren nur schwer ausmachen.

Wie bereits erwähnt, treten Karzinoide selten auf. Dies erschwert zusätzlich die Forschung nach den Ursachen. Auch mögliche Zusammenhänge mit Umwelteinflüssen, Viren oder erblichen Faktoren lassen sich dadurch nur schwer erkennen.

In sehr seltenen Fällen können genetische Veränderungen bei der Entstehung eines NET eine Rolle spielen. In diesem Fall spricht von einem multiplen endokrinen Neoplasie Syndrom (MEN 1 Syndrom). Im Rahmen des MEN 1 Syndroms treten NET auch häufig bei jüngeren Patientinnen und Patienten auf.

Symptome: NET

Im Anfangsstadium verursacht ein NET oft noch keine Symptome. In etwa der Hälfte aller Fälle bildet ein NET auch keine Hormone, die im Labor nachgewiesen werden können. Daher wird ein NET häufig relativ spät diagnostiziert. Bis zur Diagnosestellung haben leider mehr als 50% der Fälle in andere Organe gestreut (metastasiert).

Zu Beschwerden kommt es oft erst, wenn der Tumor wächst, auf benachbarte Gewebe und Organe drückt oder sie sogar verdrängt. Je nach Lage und betroffenem Organ kann ein NET zu folgenden Beschwerden führen:

  • Bauchschmerzen
  • Gewichtsverlust
  • Gelbsucht
  • Atemnot
  • Hustenanfälle

Setzt ein NET grössere Mengen Hormone oder hormonähnliche Botenstoffe frei, spricht man auch von einem funktionell aktiven neuroendokrinen Tumor (10-30 % aller NET). Je nach Art des ausgeschütteten Hormons sind unterschiedliche Symptome möglich:

  • Bildet ein neuroendokriner Tumor den Botenstoffs Serotonin, kann ein Karzinoid-Syndrom Erst wenn der Tumor bereits in die Leber gestreut hat oder primär in der Lunge lokalisiert ist, führt eine vermehrte Serotoninbildung auch zu Symptomen (Karzinoidsyndrom), da dieses sonst in der Leber abgebaut wird. Ein solches Karzinoidsyndrom tritt in ca. 10 % aller NET auf zeigt sich oft durch
    • anfallsartige Gesichtsrötungen (Flush)
    • Bauchkrämpf
    • Durchfälle
    • Herzrasen
    • Schweissausbrüche
    • Atemprobleme
    • Herzbeschwerden, Veränderungen der Herzklappen (Insuffizienzen, Stenosen) bei langem Krankheitsverlauf
  • Bei überschiessender Insulinproduktion kann es zu Unterzuckerung mit schweissnasser Haut, Zittern, Reizbarkeit und Verwirrtheit kommen (ca. 6-8% der NET).
  • Bildet das Karzinoid vermehrt Gastrin, können Sodbrennen, Magen- und Dünndarmgeschwüre auftreten (Zollinger-Ellison Syndrom) (ca. 4% der NET).
  • Kommt es zur vermehrten Ausschüttung von VIP (= vasoaktives intestinales Polypeptid), sind Durchfall und vermehrter Harndrang möglich (< 1% der NET).

NET: Diagnose bei uns

Da zu Beginn der Erkrankung meist keine Symptome auftreten, wird ein NET oft erst spät oder per Zufallsbefund erkannt (siehe oben).

Anders sieht es dagegen aus, wenn der neuroendokrine Tumor große Mengen Hormone oder Botenstoffe bildet, wie oben beschrieben. Dadurch kann es frühzeitig zu Beschwerden kommen, die zu einer Verdachtsdiagnose führen. Diese lassen sich teilweise durch eine Untersuchung des Blutes und des Urins nachweisen. Bildet ein NET keine Hormone, gibt ein spezieller Tumormarker im Blut, das Chromogranin A (CgA), Auskunft über die Erkrankung. Beim Karzinoidsyndrom kann man als Tumormarker die 5-Hydroxyindolessigsäure (5HIES) als Abbauprodukt des Serotonins im Urin bestimmen. CgA und 5HIES sind auch sinnvolle Verlaufsparameter der Tumorerkrankung im Rahmen der Evaluation eines Therapieansprechens.

NET: Bildgebende Verfahren

Besteht der Verdacht auf einen NET, werden wir für eine eindeutige Diagnose bildgebende Verfahren wie eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie), Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET/CT oder PET/MR) mit Somatostatin-Analoga oder auch eine Magen-Darm-Spiegelung (Endoskopie) veranlassen.

Bildet ein Karzinoid das Hormon Gastrin (Gastrinom), können wir zusätzlich eine Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie einsetzen. Bei diesen Tumoren befinden sich an der Zelloberfläche Bindungsstellen für den Botenstoff Somatostatin. Die Zellen dieses Tumors lassen sich im gesamten Körper nachweisen.

NET: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Einem NET können Sie nicht vorbeugen. Auch allgemein empfohlene Früherkennungsuntersuchungen gibt es nicht. In sehr seltenen Fällen lassen sich neuroendokrine Tumoren auf genetische Veränderungen zurückführen. Bei einem solchen multiplen endokrinen Neoplasie Syndrom (MEN 1 Syndrom) haben betroffene Familien Anspruch auf eine genetische Beratung sowie regelmässige Früherkennungsmassnahmen.

Verlauf und Prognose eines NET

Der Verlauf der Erkrankung hängt von verschiedenen Faktoren wie der Art des Tumors, seiner Lage (Magen-Darm Trakt versus Pankreas) sowie dem Stadium ab, in dem er entdeckt wird. Dabei gilt: Je frühzeitiger ein NET entdeckt und behandelt wird, desto grösser sind die Heilungschancen.

Auch die Tatsache, dass ein NET meist nur langsam wächst, wirkt sich günstig auf die Prognose aus.

Zu Komplikationen kann es kommen, wenn ein NET längere Zeit unbehandelt bleibt. In diesem Fall kann sich der Tumor über die Lymph- und Blutgefässe im Körper ausbreiten und Tochtergeschwulste (Metastasen), etwa im Bereich der Leber oder der Knochen, bilden. Seltener sind Metastasen in der Augenhöhle, im Herzmuskel und bei Frauen in der Brust.

Ein NET im Bereich des Wurmfortsatzes (Appendix) bildet kaum Tochtergeschwülste (Metastasen) und hat daher eine sehr gute Prognose.

Doch auch bei anderen Arten von NET oder bei bereits bestehenden Metastasen können wir mit Hilfe von Medikamenten den Krankheitsverlauf oft längere Zeit positiv beeinflussen.

Verdrängt ein großer NET beziehungsweise Tochtergeschwulste das umliegende Gewebe, kann dies lebensbedrohlich werden und beispielsweise im Darm einen vollständigen Darmverschluss (Ileus) zur Folge haben, der umgehend behandelt werden muss.

Auch wenn ein NET grössere Mengen Hormone freisetzt, drohen Komplikationen. Bildet der Tumor zum Beispiel Gastrin, können in der Folge Magengeschwüre auftreten. In der Folge kann es zu einem Magendurchbruch oder schweren Blutungen kommen.

Bildet ein NET im Rahmen eines Karzinoidsyndroms viel Serotonin, kann es zu schweren Durchfällen, Atemnot, Flush und in sehr schweren Fällen bei massiver Hormonausschüttung auch zur sogenannten Karzinoidkrise mit Schocksymptomatik (Blutdruckabfall und Kreislaufschwäche) kommen. Als eine gute Behandlungsmöglichkeit kommen hier Somatostatinanaloga zum Einsatz.

NET: Behandlung je nach Krankheitsstadium

Stellt Ihre Ärztin oder Ihr Arzt einen neuroendokrinen Tumor fest, wird sie oder er je nach Art des Tumors und Krankheitsstadium eine individuell auf Ihren Fall angepasste Therapie veranlassen.

Wir besprechen Ihren Fall vor Therapiebeginn in unserem interdisziplinären neuroendokrinen Tumorboard, um Ihnen die bestmögliche Therapie aus Sicht aller verschiedenen involvierten Fachdisziplinen anzubieten.

Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.