Inzidentalom der Nebenniere

Das Inzidentalom ist ein zufällig entdeckter Tumor der Nebenniere, der meist gutartig und harmlos ist und keinen Krankheitswert hat. In seltenen Fällen kann er bösartig sein. Inzidentalome sind in der Regel hormonell inaktiv, produzieren also keine Hormone. Die meisten Betroffenen spüren nichts von ihrem Tumor, weil er keine Symptome verursacht. Wir entdecken das Inzidentalom zufällig im Rahmen einer Untersuchung, die aus einem anderen Grund stattgefunden hat. Daher stammt auch der Name. Die Behandlung hängt davon ab, ob der Tumor gut- oder bösartig ist, aber auch, ob er Hormone ausschüttet oder nicht.

Überblick: Was ist ein Inzidentalom der Nebenniere?

Die Nebennieren sind kleine Organe, die zu den Hormondrüsen zählen und mehrere lebenswichtige Hormone produzieren. Ein Inzidentalom entdecken wir zufällig im Rahmen einer bildgebenden Untersuchung des Bauchs. Wir fahnden also nicht gezielt nach einem Tumor, etwa weil Betroffene Beschwerden haben. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort „incidere“ ab, was so viel wie „hineingeraten“ bedeutet.

Das Inzidentalom ist kein eigenes Krankheitsbild oder eine eigenständige Diagnose. Vielmehr zielt der Name auf die Zufälligkeit der Entdeckung ab. Hinter einem Inzidentalom können sich verschiedene Arten von Nebennierentumoren verbergen – gutartige (meistens) und bösartige (seltener).

Am häufigsten kommen gutartige Adenome der Nebenniere vor, die aus Drüsengewebe hervorgehen. In der Regel sind sie hormonell inaktiv, produzieren also keine Hormone. Daneben gibt es Adenome, die hormonaktiv sind. Sie schütten zum Beispiel Cortisol aus. Auch Zysten (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume) oder Lipome (Ansammlung von Fettgewebe) können Inzidentalome sein. Seltener handelt es sich beim Inzidentalom um einen bösartigen Tumor, zum Beispiel Nebennierenkrebs oder Metastasen.

Inzidentalome haben in vielen Fällen keinen Krankheitswert. In den wenigsten Fällen rufen die Tumoren Symptome hervor und bleiben daher meist unbemerkt. Die Diagnose erfolgt zufällig, zum Beispiel bei einer Ultraschalluntersuchung oder Computertomografie, die aus einem anderen Grund stattfindet. Eine Blutuntersuchung lässt genauere Rückschlüsse auf die Art des Tumors zu. Sie zeigt zum Beispiel, ob er Hormone ausschüttet oder nicht.

Bei der Behandlung gibt es – je nach Tumor – verschiedene Strategien: Keine Behandlung, beobachten und kontrollieren oder operieren. Wenn eine Operation notwendig ist, lässt es sich meist im Rahmen eines minimal-invasiven Eingriffs („Schlüssellochchirurgie“) entfernen.

Inzidentalom – Häufigkeit und Alter

Inzidentalome der Nebenniere gehören zu den häufigsten Tumoren bei Menschen. Fachleute schätzen, dass ungefähr drei Prozent aller Erwachsenen um das 50. Lebensjahr herum einen Tumor in der Nebenniere haben. Das Risiko für ein Inzidentalom erhöht sich mit dem Alter. Bei 80-Jährigen steigt die Häufigkeit sogar auf bis zu zehn Prozent.

Ungefähr 80 Prozent der Inzidentalome in der Nebenniere sind gutartige, hormonell nicht aktive Tumoren. Das heisst, sie produzieren keine Hormone. Meist handelt es sich dabei um Adenome, die aus Drüsenzellen hervorgehen.

Zu den anderen 20 Prozent gehören die hormonell aktiven Cushing- und Conn-Adenome sowie Phäochromozytome. Auch Nebennierenkarzinome oder Nebennierenmetastasen fallen in diese Gruppe. Nebennierenkrebs hat seinen Ursprung direkt in der Nebenniere. Metastasen in den Nebennieren rühren dagegen von der Krebserkrankung eines anderen Organs her, bei der sich Absiedelungen in der Nebenniere gebildet haben. Beispiele sind Brust- oder Lungenkrebs.

Inzidentalom: Ursachen sind unterschiedlich

Das Inzidentalom ist keine eigenständige Erkrankung, sondern der Begriff meint den Umstand der „zufälligen Entdeckung“. Daher lassen sich auch keine allgemeinen Ursachen für das Inzidentalom benennen. Unter den Begriff fallen verschiedene Tumoren der Nebenniere, die unterschiedliche Folgen haben können.  Einige Beispiele:

  • Hormoninaktive Adenome: Der Ursprung liegt im Drüsengewebe der Nebenniere. Sie machen den Hauptteil der Inzidentalome aus.
  • Conn-Adenome: Der hormonaktive Tumor führt zum Conn-Syndrom (Hyperaldosteronismus). Diese Erkrankung der Nebennieren ist mit einer erhöhten Produktion des Hormons Aldosteron verbunden.
  • Cushing-Adenome: Ein hormonaktiver Tumor, der zum Cushing-Syndrom führt (Hypercortisolismus). Bei dieser Erkrankung ist die Produktion des Nebennierenhormons Cortisol krankhaft gesteigert.
  • Phäochromozytome sind Tumore des Nebennierenmarks, die meist hormonell aktiv sind. Sie bilden beispielsweise Adrenalin oder Noradrenalin. Die meisten Phäochromozytome sind gutartig, nur selten sind sie bösartig
  • Andere gutartige Tumore: ausgehend aus verschiedenen Geweben, die keine Hormone produzieren
  • Nebennierenkarzinom: Krebserkrankung der Nebenniere
  • Nebennierenmetastasen: Krebsabsiedelungen von einer anderen Krebskrankheit wie Brustkrebs, Lungenkrebs, Nierenzellkrebs, Lymphome, schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom)

Symptome: Inzidentalom bleibt oft unbemerkt

Ein Inzidentalom verursacht in vielen Fällen keine Symptome und bleibt somit unbemerkt. Die Mehrzahl der Inzidentalome sind gutartige Adenome, die hormonell inaktiv sind und keine Hormone produzieren. Daher haben Betroffene auch keine Beschwerden aufgrund einer erhöhten Hormonproduktion und holen keinen ärztlichen Rat ein. So wird der Tumor meist zufällig im Rahmen einer Untersuchung entdeckt. Die meisten Inzidentalome sind harmlos und haben keinen Krankheitswert. Wenn sie jedoch wachsen und ihre Grösse zunimmt, können sie Beschwerden verursachen und die Funktion der Nebenniere sowie benachbarter Organe stören.

Manchmal sind Inzidentalome jedoch hormonaktiv und produzieren verschiedenste Botenstoffe, zum Beispiel Adrenalin, Noradrenalin, Aldosteron oder Dopamin. Solche hormonaktiven Nebennierentumoren können zum Beispiel das Cushing-Syndrom oder Conn-Syndrom hervorrufen. Durch den Überschuss an Hormonen machen sich Inzidentalome dann bemerkbar.

Die Symptome hängen davon ab, ob der Tumor aus Zellen der Nebennierenrinde oder des Nebennierenmarks entstanden ist und welche Hormone in erhöhten Mengen produziert werden.

Conn-Adenom: Symptome

Das Conn-Adenom ist ein gutartiger Tumor der Nebennierenrinde, der mit einer Überproduktion des Hormones Aldosteron verbunden ist. Dieses Hormon spielt bei der Regulation des Wasserhaushaltes in der Niere eine wichtige Rolle und erhöht den Blutdruck. Daher zeigen sich folgende Symptome:

  • Bluthochdruck, der dauerhaft erhöht ist und sich schlecht einstellen lässt
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Muskelschwäche, Muskelkrämpfe
  • starkes Durstgefühl

Cushing-Adenom: Symptome

Das Cushing-Adenom ist ein meist gutartiger Tumor in der Nebennierenrinde, bei dem die Produktion des Hormons Cortisol gesteigert ist. Diese Überproduktion führt zum Cushing-Syndrom, das sich durch eine Vielzahl an Symptomen äussert. Die wichtigsten sind:

  • erhebliche Gewichtszunahme – das Fett ist besonders an Bauch und Brust verteilt, aber auch im Gesicht und Nacken
  • Abbau der Muskulatur – dünne Arme und Beine
  • rötliche Dehnungsstreifen am Bauch (vergleichbar mit „Schwangerschaftsstreifen“)
  • Hautprobleme, Akne
  • Bluthochdruck
  • Diabetes mellitus
  • starke Körperbehaarung
  • Knochenschwund (Osteoporose)
  • psychische Probleme

Phäochromozytom: Symptome

Das Phäochromozytom ist meist gutartiger Tumor des Nebennierenmarks, bei dem die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin unkontrolliert gesteigert ist. Mögliche Symptome sind:

  • dauerhafter oder anfallsartig erhöhter Blutdruck – er lässt sich mit Medikamenten kaum einstellen
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Schweissausbrüche
  • Herzklopfen, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen
  • Gewichtsverlust
  • Zittern, Nervosität, Angstzustände
  • Diabetes mellitus

Nebennierenkrebs: Symptome

Der Nebennierenkrebs ist ein bösartiger Tumor der Nebennierenrinde (adrenokortikales Karzinom). Symptome können durch das Grössenwachstum des Tumors oder durch Krebsabsiedelungen an anderer Stelle hervorgerufen werden.

Ist der Tumor ausserdem hormonaktiv, kann er Symptome auslösen, die mit den jeweils vermehrten Hormonen verbunden sind. Beispiele sind:

  • Symptome wie bei einem Cushing-Syndrom
  • bei Produktion von Sexualhormonen: starke Körperbehaarung, Haarausfall, Glatzenbildung, tiefe Stimme bei Frauen, Wachstum der Brüste bei Männern

Inzidentalom: Diagnose im USZ

Die Diagnose „Inzidentalom“ stellen wir zufällig, etwa im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung oder Computertomografie, die aus einem anderen Grund stattfindet. Wir suchen also nicht gezielt nach einem Tumor in der Nebenniere. Ist der Tumor entdeckt, stellen wir Ihnen einige Fragen, zum Beispiel:

  • Haben Sie Symptome? Wenn ja: Welche? Zum Beispiel starkes Schwitzen, verstärkter Haarwuchs, Herzrasen
  • Wie intensiv sind die Beschwerden und wann sind sie erstmals aufgetreten?
  • Sind Grunderkrankungen bei Ihnen bekannt?
  • Nehmen Sie Medikamente ein? Falls ja: Welche und seit wann?
  • Wurden bereits früher Bildgebungen am Bauch gemacht, die als Vergleich benutzt werden könnten?

Dann folgt eine körperliche Untersuchung, bei der wir unter anderem den Bauch abtasten. Wir achten aber auch auf körperliche Veränderungen wie den Haarwuchs, die Fettverteilung des Körpers oder ein ungewöhnliches Brustwachstum bei Männern. Daneben hören wir das Herz mit dem Stethoskop ab und prüfen den Herzschlag. Eine Blutdruckmessung zeigt, ob die Blutdruckwerte erhöht sind.

Inzidentalom: Hormondiagnostik

Dann versuchen wir herauszufinden, ob der Tumor Hormone produziert oder nicht. Erhöhte Spiegel an bestimmten Hormonen weisen darauf hin, dass der Nebennierentumor Hormone produziert. Die hormonelle Aktivität des Nebennierentumors lässt sich anhand von Hormonbestimmungen im Blut, aus einem Sammelurin oder im Speichel feststellen.

Die Hormondiagnostik wird individuellen festgelegt, umfasst aber meist:

  • Blut: Natrium, Kalium, Aldosteron, ACTH, Kortisol, DHEA, Testosteron, Androstendion; Dexamethason-Hemmtest zum Ausschluss des Cushing-Syndroms
  • 24 h-Sammelurin: Bestimmung von Natrium, Kalium und Kortisol im ungesäuerten 24h-Urin; Messung von Adrenalin, Noradrenalin, Metanephrin und Normetanephrin (Katecholamin-Abbauprodukte) im angesäuerten Urin.
  • Blutplasma: Bei Bluthochdruck – Bestimmung des Aldosteron/Renin-Quotienten, um das Conn-Syndrom auszuschliessen.

Weitere Untersuchungen beim Inzidentalom

Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen gutartigem und bösartigem Tumor. Dafür eignen sich bildgebende Verfahren wie:

  • Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie): Die Untersuchungen liefern detaillierte Schnittbilder der Nebenniere und anderer Organe. Auch Fette im Adenom sind mittels Dichtemessung nachweisbar. CT und MRT können eine Krebserkrankung oder Metastasen aufdecken.
  • Positronenemissionstomografie (PET) und/oder Szintigraphie: Sie liefert Hinweise auf die Art des Tumors, ob dieser bösartig ist, oder an anderer Stelle gestreut hat. Die Auswahl dieser funktionellen Bildgebung ist abhängig von den Voruntersuchungen und der genauen Fragestellung.

Eine Biopsie (Gewebeentnahme) nehmen wir nur selten vor, etwa wenn der Verdacht auf Metastasen in der Nebenniere besteht. Ansonsten ist sie nicht aussagekräftig genug, um ein gutartiges Adenom von einem bösartigen Karzinom zu unterscheiden.

Inzidentalom: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Spezielle Massnahmen zur Vorbeugung und Früherkennung des Inzidentaloms sind nicht bekannt. Vielmehr wir der Tumor in der Nebenniere zufällig im Rahmen einer anderen Untersuchung, etwa dem Ultraschall entdeckt. In den meisten Fällen hat das Inzidentalom keinen Krankheitswert und verursacht auch keine Symptome.

Allgemein lautet der Ratschlag jedoch: Nehmen Sie Routine-Checks bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt wahr, wobei zum Beispiel ein bestehender Bluthochdruck aufdeckt werden kann. Er kann im Zusammenhang mit einem Nebennierentumor stehen. Suchen Sie ausserdem immer ärztlichen Rat auf, wenn Sie Beschwerden haben.

Falls Sie unter einer Krebserkrankung wie Brustkrebs oder Lungenkrebs leiden, nehmen Sie regelmässige Nachsorgetermine wahr. Es können bei den engmaschigen Kontrolluntersuchungen auch eventuelle Metastasen in der Nebenniere aufdecket werden.

Verlauf und Prognose bei einem Inzidentalom

Der Verlauf und die Prognose bei einem Inzidentalom lassen sich nicht allgemein vorhersagen. Beide hängen zunächst davon ab, ob das Inzidentalom gutartig oder bösartig (selten) ist. Die meisten Inzidentalome sind gutartig. Allerdings können die Adenome wachsen und die Funktion der Niere sowie benachbarter Organe beeinträchtigen. Ausserdem spielt es eine Rolle, ob der Tumor in der Nebenniere Hormone produziert (seltener) oder nicht, was häufiger der Fall ist.

Hormonproduzierende Inzidentalome entfernen wir. So sind der Verlauf und die Prognose etwa beim Cushing-Syndrom gut, wenn die Ursache behoben ist – dann ist es heilbar. Ohne Behandlung kann es dagegen innerhalb weniger Jahre tödlich verlaufen.

Auch der Verlauf und die Prognose beim Conn-Syndrom hängen davon ab, ob sich die Ursache beseitigen lässt. Denn das Conn-Syndrom geht mit schwer regulierbarem Bluthochdruck einher, der langfristig Schäden am Herz-Kreislauf-System, aber auch an den Nieren und Augen verursachen kann.

Inzidentalom: Behandlung je nach Tumor

Die Behandlung beim Inzidentalom hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist es zunächst, ob der Tumor gutartig (meist harmlose Adenome) oder bösartig (zum Beispiel Nierenkarzinom, Metastasen) ist. Zudem spielt es eine Rolle, ob das Inzidentalom Hormone produziert oder nicht. Das Ziel der Diagnostik ist, eine individuell massgeschneiderte Therapie zu finden, die den Betroffenen und ihrer Erkrankung gerecht wird:

  • Der Tumor ist gutartig, produziert keine Hormone (hormoninaktiv) und ist kleiner als vier Zentimeter: Keine Operation oder jährliche Kontrollen mittels radiologischer Verfahren (früher war die Überwachung per Bildgebung empfohlen).
  • Der Tumor ist gutartig und schüttet relevante Hormonmengen aus: Entfernung der Nebenniere (Adrenalektomie) samt Tumor im Rahmen einer Bauchspiegelung (Laparoskopie). Dies ist ein minimal-invasiver Eingriff („Schlüssellochchirurgie“), der mit kleinen Schnitten auskommt und somit schonender ist.
  • Unklare Tumore, die nicht operiert wurden: Kontrolle mittels CT oder MRT nach sechs bis zwölf Monaten. Wächst der Tumor um mehr als 20 Prozent, ist eine Operation empfehlenswert. Den Verlauf der Hormone kontrollieren wir nur noch in speziellen Fällen.
  • Es besteht der Verdacht, dass der Tumor bösartig ist, aber es gibt keine Hinweise auf Metastasen: Bei kleineren Tumoren unter sechs Zentimetern ist die Entfernung mittels Bauchspiegelung möglich. Gibt es dagegen Hinweise darauf, dass der Tumor über das Organ hinausgewachsen ist, ist die offene Operation die Behandlung der Wahl.