Inkontinenz

Harninkontinenz, Blasenschwäche

Bei einer Inkontinenz können Betroffene die Entleerung der Blase nicht mehr kontrollieren. Es kommt zu einem unwillkürlichen Harnverlust. Als Auslöser kommen verschiedene Faktoren infrage. Viele Betroffene schämen sich, darüber zu sprechen. Die richtige Behandlung kann aber nicht nur die Beschwerden lindern, sondern in einigen Fällen auch die komplette Kontrolle über die Blasenentleerung wiederherstellen.

Überblick: Was ist Inkontinenz?

Normalerweise speichert die Blase den Urin, bis er beim nächsten Toilettengang kontrolliert abgegeben wird. Fachleute bezeichnen diese Fähigkeit als Kontinenz. Ist die Kontrolle über die Harnausscheidung gestört, spricht man von einer Inkontinenz, umgangssprachlich auch von Blasenschwäche. Dabei kommt es zu einem unwillkürlichen Harnverlust. Das kann die Betroffenen im Alltag sehr belasten. Vielen ist das Thema so unangenehm, dass sie es beim Arztbesuch gar nicht ansprechen. Das ist jedoch wichtig. Denn die richtige Behandlung kann nicht nur die Beschwerden lindern, in einigen Fällen erlangen die Betroffenen die Kontrolle über ihre Blase komplett wieder.

Häufigkeit und Alter

Da das Thema Inkontinenz so schambesetzt ist, kann man nur schwer sagen, wie viele Menschen in der Schweiz daran leiden. Generell sind Frauen insgesamt häufiger von Blasenschwäche betroffen als Männer, da ihr Urogenital-System durch Schwangerschaft und Geburt grossen Belastungen ausgesetzt ist. Auch mit steigendem Lebensalter nimmt die Anzahl inkontinenter Menschen zu.

Inkontinenz: Ursachen und Risikofaktoren

Fachleute unterscheiden zwischen verschiedenen Formen der Inkontinenz. Je nachdem kommen auch verschiedene Auslöser infrage.

Belastungsinkontinenz

Bei der Belastungsinkontinenz, früher auch Stressinkontinenz genannt, ist der Schliessmechanismus der Harnröhre geschädigt. Frauen leiden deutlich häufiger an diesem Problem als Männer. Denn bei ihnen ist der Beckenboden, der die Beckenorgane stützt und an ihrer richtigen Position hält, sehr viel grösseren Belastungen ausgesetzt. Das hat nicht nur anatomische Gründe. Ein schwacher Beckenbodenmuskel kann zum Beispiel auch durch Schwangerschaft und Geburt sowie durch die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre entstehen. Bei Männern ist dagegen häufig eine Prostata-Operation Auslöser für eine Belastungsinkontinenz.

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Dranginkontinenz

Im Volksmund ist auch die Rede von Reizblase oder überaktiver Blase. Eine Dranginkontinenz kann verschiedene Ursachen haben. So kann eine überempfindliche Blasenwand oder auch ein instabiler Blasenmuskel dafür sorgen, dass es zu ungewollten und nicht kontrollierbaren Kontraktionen kommt. Auch wenn die Blase über einen längeren Zeitraum gereizt wird (etwa durch einen Harnwegsinfekt oder Blasen- und Harnwegssteine) oder der Blasenausgang verengt ist (z. B. durch eine vergrösserte Prostata), kann eine Dranginkontinenz entstehen. Zudem können Tumore sowie neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Multiple Sklerose oder Schlaganfall der Auslöser sein. Mitunter gibt es auch keinen erkennbaren Grund. Fachleute sprechen in diesem Fall von einer idiopathischen Reizblase.

Reflexinkontinenz

Hier führen Nervenschäden dazu, dass der Schliessmuskel der Blase nicht mehr kontrollierbar ist. Auslöser dafür können zum Beispiel neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Alzheimer sein sowie Beeinträchtigungen des Rückenmarks (z. B. durch eine Querschnittslähmung oder einen schweren Bandscheibenvorfall).

Überlaufinkontinenz

Bei dieser Art der Inkontinenz läuft die Blase einfach über, wenn sie voll ist. Der häufigste Auslöser dafür ist eine gutartige Prostata-Vergrösserung (benigne Prostatahyperplasie oder BPH). Daher leiden vor allem Männer an dieser Form der Blasenschwäche. Weitere Ursachen können zum Beispiel auch

  • eine schwache Blasenmuskulatur (z. B. durch Nervenschädigungen im Rahmen einer Erkrankung wie Diabetes) sowie
  • eine verengte oder blockierte Harnröhre (z. B. durch Tumore, Harnsteine) sein.

Extraurethrale Inkontinenz

Geht der Urin durch fehlangelegte oder fehlgebildete Gänge ab und nicht durch die Harnröhre, sprechen Fachleute von einer sogenannten extraurethralen Inkontinenz. Bei Kindern sind zum Beispiel Fehlanlagen der Harnröhre oder Fehlmündungen des Harnleiters die Ursache. Bei Erwachsenen bilden sich meist sogenannte Urinfisteln, also kleine Gänge wie etwa zwischen Blase und Scheide. Durch diese Gänge tröpfelt ständig Urin aus dem Körperinneren nach draussen.

Risikofaktoren für eine Inkontinenz

Neben Geschlecht, Alter und bestimmten Krankheiten gibt es noch weitere Risikofaktoren, die das Entstehen einer Inkontinenz fördern können. Dazu gehören zum Beispiel

  • Medikamente wie Antidepressiva oder Diuretika (entwässernde Arzneimittel),
  • Übergewicht,
  • schwere körperliche Arbeit,
  • chronische Atemwegserkrankungen (durch das Husten kann sich der Druck auf die Blase erhöhen) oder
  • schwaches Bindegewebe.

Symptome: Urinverlust unterscheidet sich nach Inkontinenzform

Bei allen Formen der Inkontinenz verlieren die Betroffenen Urin, ohne es zu wollen. Je nachdem gibt es dabei folgende Unterschiede:

  • Belastungsinkontinenz: Der Harnverlust tritt vor allem bei starken Belastungen des Beckenbodens wie Husten, Niesen, Lachen, Tragen oder Heben von schweren Lasten auf. Dabei geht der Urin in Spritzern ab.
  • Dranginkontinenz: Hier kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einem schier übermächtigen Harndrang. Mitunter schaffen es die Betroffenen nicht mehr auf die Toilette und verlieren oft schwallartig Urin.
  • Mischinkontinenz: Hier treten sowohl Symptome einer Drang-, als auch einer Belastungsinkontinenz auf.
  • Reflexinkontinenz: Hier entleert sich die Harnblase, indem sich der Blasenmuskel in unregelmässigen Abständen reflexartig zusammenzieht. Oft bleibt ein Rest Urin in der Harnblase zurück. Die Betroffenen spüren nicht, wann die Blase voll ist und können die Entleerung nicht steuern.
  • Überlaufinkontinenz: Wie der Name schon sagt, läuft hier die volle Blase regelrecht über. Betroffene haben das Gefühl, ständig auf die Toilette zu müssen und verlieren tröpfchenweise Urin.

Inkontinenz: Diagnose bei uns

Zu Beginn der Untersuchung führen wir ein ausführliches Gespräch mit Ihnen (Anamnese). Dabei werden wir zum Beispiel wissen wollen, welche Beschwerden Sie haben, wie lange diese schon bestehen und ob Sie an irgendwelchen anderen Erkrankungen leiden. Mitunter fragen wir auch genauer nach, zum Beispiel wieviel Urin Sie verlieren, ob der Harnverlust bei bestimmten Tätigkeiten auftritt oder ob beim Wasserlassen Schmerzen vorkommen und Sie danach das Gefühl haben, schon wieder auf die Toilette zu müssen. Das alles hilft uns, die genaue Ursache für die Inkontinenz herauszufinden.

Im Anschluss an das Gespräch werden wir Sie auch körperlich untersuchen. Mithilfe eines Ultraschallgerätes können wir zum Beispiel feststellen, ob Harnblase und Harnwege frei sowie gesund sind. Auch die Menge an Restharn, der sich möglicherweise nach dem Toilettengang in der Blase befindet, lässt sich damit bestimmen. Bei Frauen schliesst sich eine gynäkologische Untersuchung an, mit der man mögliche Ursachen wie zum Beispiel eine Gebärmuttersenkung ausschliessen kann. Bei Männern wird in der Regel der Enddarm sowie die Prostata abgetastet. Anhand einer Blut- und Urinprobe zeigt sich, ob möglicherweise eine Entzündung im Körper (z. B. Harnwegsinfekt) vorliegt.

Wahrscheinlich werden wir Sie auch bitten, ein sogenanntes Miktionstagebuch (Miktion = Harnlassen) zu führen. Dabei handelt es sich um einen standardisierten Fragebogen, in dem Sie regelmässig zum Beispiel Folgendes notieren:

  • Wie stark war der Harndrang vor dem Toilettengang?
  • Wann und wie viel mussten Sie Wasserlassen?
  • Wieviel haben Sie getrunken?
  • Gab es einen unkontrollierten Harnverlust?

Ein Miktionstagebuch kann helfen, Ihre Trink- und Toilettengewohnheiten besser kennenzulernen und Ihre Beschwerden einfacher einzuordnen.

Weitere Methoden zur Diagnose

Um die Ursache für die Inkontinenz noch genauer zu bestimmen, können wir weitere Untersuchungs-Methoden anwenden. Diese schliessen zum Beispiel bildgebende Verfahren wie Computertomografie oder Blasenspiegelung ein. Bei Verdacht auf Prostata-Krebs wird in der Regel der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA) bestimmt. Zudem können urologische Untersuchungen helfen, Fehlfunktionen der Blase festzustellen oder Harnfluss und Blasendruck zu messen.

Inkontinenz: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Es gibt keine frühen Anzeichen für eine Inkontinenz. Verschiedene Massnahmen können aber helfen, den typischen Beschwerden vorzubeugen:

  • Beckenboden trainieren: Es ist sinnvoll, nach einer Geburt dem Beckenboden Aufmerksamkeit zu schenken und ihn gezielt zu kräftigen. Gruppenangebote sind sinnvoll, wenn Sie keine Beschwerden haben.
    Falls Sie bereits Beschwerden haben, ist eine zielgerichtete Therapie durch eine in Beckenbodenrehabilitation spezialisierte Physiotherapeutin mit einem auf Sie zugeschnittenen Training erfolgsversprechend.
  • Auf das Körpergewicht achten: Übergewicht kann eine Inkontinenz fördern oder verschlimmern. Achten Sie daher darauf, mit gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung Ihr Gewicht zu halten oder versuchen Sie Übergewicht zu reduzieren
  • Belastungen im Alltag vermeiden: Dazu zählen nicht nur schwere körperliche Arbeit, sondern auch Sportarten wie Joggen. Dabei ist die untere Beckenregion einem erhöhten Druck ausgesetzt und das kann den Beckenboden schwächen. Sportarten wie Radfahren, Nordic Walking oder Schwimmen sind schonender. Auch chronischer Husten und Verstopfung können den Beckenboden stark belasten.
  • Richtig trinken: Flüssigkeitsmangel führt zu einem konzentrierten Urin. Dieser kann den Blasenmuskel reizen. Man sollte aber auch nicht zu viel trinken. Optimal ist eine Menge von eineinhalb bis zwei Litern pro Tag.

Verlauf und Prognose (Inkontinenz)

Verlauf und Prognose einer Inkontinenz hängen davon ab, wie ausgeprägt die Beschwerden sind und welche Ursachen zugrunde liegen. In vielen Fällen ist eine Behandlung möglich, die die Beschwerden lindern oder sogar dafür sorgen kann, die vollständige Kontrolle über die Blasenentleerung wiederzuerlangen. Eine Inkontinenz geht aber nicht nur mit körperlichen Symptomen einher. Die Scham ist für manche Betroffene so gross, dass sie sich aus dem gesellschaftlichen Leben immer mehr zurückziehen. Wichtig ist daher, den unwillkürlichen Harnverlust nicht zu tabuisieren, sondern offen mit uns über die Probleme zu sprechen – auch wenn es zu Beginn vielleicht schwerfällt. Das mindert nicht nur die körperlichen Beschwerden, sondern auch die seelische Belastung.

Inkontinenz: Behandlung richtet sich nach der Ursache

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Inkontinenz zu behandeln. Die Therapie richtet sich dabei nach der zugrundeliegenden Ursache und berücksichtigt, an welcher Inkontinenz-Form Sie leiden. Welche Massnahmen für Sie empfohlen sind, entscheiden wir individuell und gemeinsam mit Ihnen in einem ausführlichen Gespräch. Auch beteiligt sich die Krankenkasse unter Umständen an allfällig notwendigem Inkontinenzmaterial (Einlagen, „Pants“) finanziell. Wir können falls die Kriterien erfüllt sind, im Rahmen des Termins, ein entsprechendes Materialrezept für Sie ausstellen und beraten Sie gerne.