Hypercholesterinämie

Zu hoher Cholesterinwert: Diese Diagnose hören Europäer und Europäerinnen häufig. Bei einem erhöhten Cholesterinwert sehen Fachleute Risiken für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung und Arteriosklerose. Allerdings fliessen in die Risikobewertung auch weitere Aspekte wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Tabakkonsum, Lebensstil und Übergewicht ein. Doch wie gefährlich ist ein erhöhter Cholesterinwert wirklich?

Überblick: Was ist Hypercholesterinämie?

Cholesterin ist ein wichtiger Baustein im Körper. Er gehört zu den Lipiden (Fetten) und wird beim Aufbau von Zellmembranen benötigt. 95 Prozent des menschlichen Cholesterins befindet sich in den Zellen. Ausserdem dient Cholesterin zur Herstellung von Vitamin D, Gallensäure und Sexualhormonen. Bei einer Hypercholesterinämie (hyper = über) befindet sich zu viel Cholesterin im Blut. Das betrifft vor allem ältere Menschen, denn der Gesamtcholesterinspiegel steigt parallel zum Alter deutlich.

Das meiste Cholesterin stellt der Körper selbst her. Nur einen kleinen Teil nehmen wir über die Nahrung auf. Schwimmt zu viel Cholesterin im Blut, besteht ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose (Arterienverkalkung). Insbesondere in Verbindung mit wenig Bewegung, Tabakkonsum und starkem Übergewicht steigt die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb gilt ein zu hoher Cholesterinwert als schädlich. Wie die Werte im Einzelnen interpretiert werden sollen, wird jedoch seit Jahren diskutiert. 2019 setzten die Europäische Kardiologie Gesellschaft ESC und die Europäische Atherosklerose Gesellschaft EAS aufgrund neuer Studiendaten viele Grenzwerte herunter. Obwohl auch andere Faktoren wichtig sind, ist für die Prävention der Atherothrombose die Reduktion des LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein) zentral.

Die familiäre Hypercholesterinämie

Bei der familiären Hypercholesterinämie – einer genetisch bedingten und vererbten Erkrankung – ist das LDL besonders hoch (>5 mmol/L). Die familiäre Hypercholesterinämie tritt bereits im Kindesalter auf. Dadurch ist das Risiko von frühzeitigen Ablagerungen in die Gefässe verhältnismässig hoch. Meist sind in den Familien mehrere Mitglieder von Hypercholesterinämie sowie Schlaganfällen oder Herzinfarkten im früher Alter betroffen. Die klinische Diagnose einer familiären Hypercholesterinämie kann durch Berechnung des DLNC-Score (www.agla.ch) erfolgen. Ein hohes LDL-Cholesterin kann aber nicht nur vererbten Erkrankungen sondern auch durch bestimmte weiteren Erkrankungen entstehen:

In diesen Fall sprechen wir über eine sekundäre Hypercholesterinämie.

Hypercholesterinämie: Häufigkeit und Alter

Eine Hypercholesterinämie kommt bei sehr vielen Menschen vor – rund ein Drittel der Bevölkerung in Mitteleuropa hat einen erhöhten Cholesterinwert. Da der Cholesterinspiegel mit zunehmendem Alter steigt, sind vor allem ältere Menschen davon betroffen. Allerdings ist die Hypercholesterinämie an sich keine Krankheit, sondern erst die Folgen davon: Durch das Überangebot von Cholesterin lagert es sich in den Arterien ab, es entstehen Plaques (Ablagerungen) und die Arterien werden so immer enger. Dadurch erhöht sich das Risikoeines Schlaganfalls und Herzinfarkts oder an eine periphere arterielle Verschlusskrankheit zu erleiden mit hohem Risiko von Verschlechterung der Lebensqualität oder Erhöhung des Sterblichkeit. Insgesamt haben die Menschen in der Schweiz jedoch ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als andere Länder Nord- oder Osteuropas.

An einer familiären Hypercholesterinämie leiden in der Schweiz rund zwei bis vier von 1000 Menschen. Sie erkranken häufig schon im frühen Jugendalter an Arteriosklerose. Viele Fälle von familiärer Hypercholesterinämie werden jedoch nicht entdeckt.

Krankheitsbild: Ursachen und Risikofaktoren

Gefährlich wird ein zu hoher LDL-Cholesterinwert meist jedoch erst im Zusammenspiel mit anderen Risikofaktoren:

Eine wichtige Rolle spielt das Essen. Neuere Erkenntnisse zielen nicht mehr wie früher darauf, Eier und Butter aus der Ernährung zu verbannen; wichtiger ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse. Fleisch sollte dabei nur eine Nebenrolle spielen, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und gesunde Öle neben Früchten und Gemüse im Mittelpunkt stehen.

Kaum Symptome: Hypercholesterinämie ist nicht spürbar

Erhöhte Cholesterinwerte lösen keine Symptome aus. Deshalb werden sie meistens erst dann bemerkt, wenn es zu spät ist – wenn beispielsweise eine Arteriosklerose bereits eingetreten ist. Nur mit Hilfe einer Blutuntersuchung können Sie herausfinden, ob Sie einen zu hohen Cholesterinwert haben. Bei stark erhöhten Cholesterinwerten kann es sein, dass abgelagertes Cholesterin als leicht erhabene Xanthelasmen an den Augenlidern oder andere Hautveränderungen zu sehen ist. Dieses Symptom tritt, ebenso wie die auch durch Hypercholesterin verursachte weisse Trübung der Augenhornhaut, jedoch auch bei anderen Erkrankungen auf.

Hypercholesterinämie: Diagnose bei uns

Wenn der Verdacht besteht, dass Sie einen zu hohen Cholesterinwert haben könnten, messen wir die Cholesterinwerte. Insbesondere bei Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder Übergewicht werden wir diese Blutuntersuchung empfehlen. Bei der Blutentnahme müssen Sie nüchtern sein, also mindestens zwölf Stunden lang nichts gegessen haben. Neben dem Gesamtcholesterin kontrollieren wir auch die Werte für HDL- und LDL-Cholesterin. Da bei manchen Lipidstoffwechselstörungen auch die Blutfette (Triglyceride) erhöht sind, geben wir häufig diesen Wert ebenfalls mit in Auftrag. Bei Verdacht auf familiäre Hypercholesterinämie oder bei frühzeitiger atherothrombotischen Erkrankungen ist auch die Bestimmung der Lipoprotein(a) empfehlenswert.

Ab wann genau Cholesterinwerte gefährlich werden, kann nicht für jeden Menschen pauschal festgelegt werden. Deshalb hat die Europäische Kardiologie-Gesellschaft Tabellen geschaffen, die das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Verhältnis zum Gesamtcholesterinwert setzen. In der Schweiz ist ein Risikokalkulator an die schweizerische Population angepasst und auf der Webseite des AGLA zu finden. Wenn in die Familie Fälle von frühzeitigen kardiovaskulären Erkrankungen bekannt sind, und Je höher der Blutdruck, das Alter und je höher der Gesamtcholesterinwert, desto grösser ist auch das Risiko. Raucher und Raucherinnen haben ein höheres Risiko als Nichtraucher bzw. Nichtraucherinnen, Männer ein höheres als Frauen. Gleichzeitig senkt ein hoher HDL-Wert das Risiko, während ein hoher LDL-Wert es steigert.

Das sagen Ihre Cholesterinwerte aus

Ihr individuelles Risiko, Probleme mit Herz und Kreislauf zu bekommen, können wir nur anhand Ihrer Lebenssituation und sonstigen Körperdaten ermitteln. Doch es gelten einige Richtgrössen:

  • Unbedenklich: Wenn Ihr Gesamtcholesterin unter 5 mmol/L und ihre Triglyceride unter 2 mmol/L liegen und Ihr HDL-Cholesterin über 1 mmol/L, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
  • Mittlere Hypercholesterinämie: Wenn Ihr Gesamtcholesterin zwischen 5 und 7.5 mmol/L, Ihr LDL-Cholesterin <3 mmol/L und die Triglyceride 2 mmol/L liegen, sollten Sie Ihren Lebensstil ändern.
  • Schwere Hypercholesterinämie: Ihr Gesamtcholesterinwert liegt über 5 mmol/L, Ihr Blutdruck über 150 mmHg und der LDL-Cholesterinwert über 4 mmol/L, während gleichzeitig unter 2 mmol/L Triglyceride vorhanden sind.

Ein hoher Blutdruck erhöht das Risiko, ebenso, wenn Sie rauchen oder an einer Nierenerkrankung leiden. Deshalb werden wir auch Ihren Blutdruck und Puls messen sowie Herz und Lunge abhören. In manchen Fällen werden wir auch den Blutzuckerwert sowie den HbA1c-Wert in Auftrag geben. Falls der Verdacht auf eine familiäre Hypercholesterinämie besteht, könnte ein Gentest nötig sein.

Hypercholesterinämie: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Sie können viel selbst tun, um Hypercholesterinämie vorzubeugen. Wichtig ist viel Bewegung im Alltag – Wir empfehlen mehrmals pro Woche mindestens eine halbe Stunde schweisstreibenden Sport. Auch mit einer gesunden Ernährung können Sie auf der einen Seite LDL-Cholesterin abbauen und andererseits HDL-Cholesterin stärken. Vermeiden sollten Sie dafür fettes Fleisch, Fertigprodukte, Produkte aus weissem Mehl (Pizza, Gebäck, Nudeln), Frittiertes und fetthaltige Lebensmittel. Besonders viel sollten Sie von folgenden Lebensmitteln zu sich nehmen:

  • Gemüse (Möhren, Paprika, Gurke, Salat, Pilze…)
  • Obst (Äpfel, Beeren, Kirschen, Orangen…)
  • Vollkornprodukte (Brot, Vollkornnudeln, ungeschälter Reis…)
  • Hülsenfrüchte (Linsen, Kichererbsen, Bohnen, Erbsen)
  • Wasser/Mineralwasser
  • Nüsse (täglich bis zu einer Handvoll)
  • fettreduzierte Milchprodukte
  • magerer Fisch
  • Olivenöl, Rapsöl

Verlauf und Prognose bei Hypercholesterinämie

Bei Männern zwischen 35 und 65 Jahren, bei Frauen zwischen 45 und 65 Jahren sollte der Cholesterinwert alle fünf Jahre gemessen werden, empfehlen Fachleute für die Schweiz. Wird eine Hypercholesterinämie rechtzeitig erkannt, können Sie durch eine Verhaltensänderung und – falls nötig – durch Medikamente schädliche Auswirkungen verhindern. Je früher ein zu hoher Cholesterinwert erkannt wird, desto geringer sind die Gefahren. Wer früh seine Ernährung und Lebensgewohnheiten anpasst, kann bis ins hohe Alter gesund bleiben. Bei einer familiären Hypercholesterinämie ist die Lebenserwartung aufgrund des hohen Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen allerdings reduziert.

Krankheitsbild: Behandlung bei Hypercholesterinämie

Das Ziel jeder Therapie bei Hypercholesterinämie ist es, den LDL-Wert zu senken. Unabhängig vom Einsatz einer pharmakologischen Therapie ist einen gesunden Lebensstil empfehlenswert. Es lohn sich auf jeden Fall sich gesünder ernähren, mehr bewegen und auf Tabak und Nikotin verzichten. Falls Vorerkrankungen oder Medikamente die Auslöser sind, werden wir diese behandeln oder auf Alternativ-Wirkstoffe ausweichen. Danach folgen regelmässige Kontrollen Ihrer Cholesterinwerte.

Falls sich jedoch trotz dieser Massnahmen keine Verbesserung der Cholesterinwerte einstellt, oder die Gefässe bereits stark von Arteriosklerose betroffen sind, verschreiben wir Medikamente. Als erste sind die Statine. Diese unterdrücken die Herstellung von Cholesterin in der Leber. Dadurch nehmen die Leberzellen mehr LDL-Cholesterin auf, um ihren Wert zu halten. Da sie gleichzeitig kein neues Cholesterin bilden, sinkt der Cholesterinwert im Blut – bei den meisten Menschen etwa um die Hälfte. Allerdings sprechen nicht alle Erkrankte gleich gut auf diesen Wirkstoff an.

Bei familiärer Hypercholesterinämie erfolgt die Behandlung auf gleichem Weg wie bei der erworbenen Hypercholesterinämie. In manchen Fällen helfen Statine allerdings bei der vererbten Hypercholesterinämie gar nicht. Wenn etwa genetisch bedingt die LDL-Rezeptoren an der Oberfläche der Leber fehlen, kann kein LDL-Cholesterin in die Leberzellen gelangen. Falls Statine nicht wirken oder nicht toleriert sind, setzen wir Ezetimib (Cholesterolabsorption-Inhibitor) oder Hemmer des PCSK9 ein. Seltener kommen Austauscherharze zum Einsatz. Oft setzen wir diese Medikamente auch in Kombination ein.