Epilepsie

Epileptischer Anfall

Epilepsie ist eine häufige Erkrankung. Bis zu 5 % der Bevölkerung haben im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall. In der Schweiz leben rund 80’000 Menschen mit einer Epilepsie. Die Krankheit kann Menschen in jedem Lebensalter treffen. Besonders häufig erkranken kleine Kinder und Menschen über 60 Jahre.

Bei einer Epilepsie treten wiederholt epileptische Anfälle auf. Bei epileptischen Anfällen sind die Nervenzellen in einer oder beiden Gehirnhälften übermässig aktiv. Epileptische Anfälle kommen in sehr verschiedenen Formen vor. Zuweilen zucken bei einem Anfall nur einzelne Muskeln, es kommt zu Missempfindungen oder es bestehen kurze Abwesenheitszustände. Bei ausgedehnten Anfällen ist das gesamte Gehirn betroffen und es kommt zu unwillkürlichen Bewegungen des ganzen Körpers mit Bewusstseinsverlust.

Überblick: Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns und kann verschiedene Ursachen haben. Alle Epilepsien haben gemein, dass wiederholt epileptische Anfälle auftreten, die durch eine verstärkte Hirnaktivität ausgelöst werden. Diese Anfälle dauern in der Regel nicht länger als zwei Minuten. Zwischen zwei Anfällen sind die Betroffenen meist beschwerdefrei. Epileptische Anfälle können aber ohne Vorliegen einer Epilepsie auftreten: Wenn äussere Einflüsse einen epileptischen Anfall auslösen (z.B. akute Erkrankungen, oder Hirnverletzungen) spricht man von einem Gelegenheitsanfall. Auch Fieberkrämpfe bei Kindern gehören oft in diese Gruppe.

Von einer Epilepsie spricht man, wenn:

  • mindestens zwei nicht provozierte epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auftreten, oder
  • ein nicht provozierter epileptischer Anfall auftritt und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit verbunden ist, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre weitere Anfälle auftreten.

Wie entsteht ein epileptischer Anfall?

Unser Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die untereinander vernetzt sind. Während eines epileptischen Anfalls kommt es zu einer Überaktivität von Teilen dieses Netzwerks und grössere Gruppen von Nervenzellen geben gleichzeitig Signale ab. Das führt zu einer Überaktivität im Gehirn. Die Folge sind kurzzeitige Störungen des Verhaltens oder des Bewusstseins, z.B. Empfindungsstörungen, unwillkürliche Bewegungen oder Bewusstlosigkeit.

Mann mit Epilepsie liegt am Boden

Epilepsie: Ursachen und Risikofaktoren

Es gibt verschiedene Ursachen für eine Epilepsie:

  • Verletzungen des Gehirns
  • Genetische Veranlagung
  • Vorgeburtliche Hirnschädigungen
  • Hirnfehlbildungen
  • Schlaganfall
  • Gehirntumor
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen
  • Autoimmune Encephalitis

Häufig ist aber auch keine sichtbare oder eindeutige Ursache für die Epilepsie feststellbar.

Gemäss dieser Ursachen sind die häufigsten Epilepsietypen:

  • Strukturelle Epilepsie (auch symptomatische Epilepsie): Bei einer strukturellen Epilepsie ist eine Krankheit oder Hirnveränderung beziehungsweise Hirnschädigung für die Epilepsie verantwortlich. Die Anfälle werden in der Regel von einem begrenzten Bereich im Gehirn ausgelöst (fokale Anfälle).
  • Genetische Epilepsie (auch idiopathische Epilepsie): Ursache für die Epilepsie ist eine mutmassliche oder nachgewiesene genetische Veranlagung. Die Anfälle betreffen häufig beide Gehiirnhälften gleichzeitig (generalisierte Anfälle).
  • Epilepsie mit unbekannter Ursache (auch kryptogene Epilepsie): In diesem Fall kann keine Ursache für die Epilepsie gefunden werden.

Risikofaktoren für epileptische Anfälle

Wenn Epilepsie mit einem «Gewitter im Gehirn» verglichen wird, dann sind epileptische Anfälle die «Blitzschläge». Die genaue Zeit oder der Ort von einem epileptischen Anfall kann, wie bei einem Blitzschlag, nicht genau vorhergesagt werden. Diese Ungewissheit kann für Betroffene belastend sein. Wie bei einer Wettervorhersage hilft Ärztinnen und Ärzten der bisherige Anfallskalender, das EEG (Hirnstromkurve) und die Bildgebung des Gehirns eine Einschätzung vom Anfallsrisiko vorzunehmen.

Bestimmte Faktoren können bei Menschen mit Epilepsie Anfälle begünstigen.

Typische Beispiele sind:

  • Schlafmangel
  • Hohe körperliche oder seelische Belastung
  • Hohes Fieber
  • Bestimmte Medikamente
  • Entzug von Alkohol, Drogen oder Schlafmittel
  • Bei manchen Personen auch flackerndes Licht

Symptome: Epilepsie und Anfallsformen

Das wichtigste Symptom einer Epilepsie sind epileptische Anfälle. Diese entstehen, wenn sich Gruppen von Nervenzellen im Gehirn plötzlich gleichzeitig entladen. Anfälle können unterschiedlich aussehen. Typisches Anzeichen eines Anfalls sind leere, offene, starre oder verdrehte Augen. Weitere Symptome sind Bewusstseinsstörungen, Stürze, Zuckungen und unwillkürliche Bewegungen.

Welche Symptome bei einem epileptischen Anfall auftreten, hängt davon ab,

  • wie viele Nervenzellen sich auf einmal entladen,
  • welcher Bereich des Gehirns betroffen ist und
  • ob sich die Entladungen ausbreiten.

Wie läuft ein epileptischer Anfall ab?

Bei einigen Betroffenen dauert der Anfall nur ein paar Sekunden. Diese kurze Geistesabwesenheit (sogenannte Absence) kann bis zu 100 Mal am Tag auftreten. Bei anderen Betroffenen kann es lediglich zu einer veränderten Sinneswahrnehmung, zu Geschmacks-, Gefühls- oder Sehstörungen kommen. Häufig sind die Betroffenen bei epileptischen Anfällen nicht ansprechbar, obwohl sie die Augen offen haben. Sie können dabei einen starren, leeren Blick haben, mit den Lippen schmatzen oder nestelnde Bewegungen mit den Hände ausführen.

Bei schwereren Anfallsformen zucken einzelne Extremitäten, wie ein Arm oder ein Bein. Wieder andere Menschen mit Epilepsie haben Anfälle, die zu Zuckungen am gesamten Körper führen. Ärztinnen und Ärzte sprechen dann von einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall.

Ein epileptischer Anfall dauert in der Regel nicht länger als zwei bis drei Minuten und hört in den allermeisten Fällen von selber wieder auf. Selten hält ein einzelner epileptischer Anfall länger an. Ab einer Dauer von fünf Minuten und mehr sprechen Ärztinnen und Ärzte von einem „Status epilepticus“. Das ist ein Notfall und muss schnell mit Medikamenten behandelt werden.

Nach einem belastenden epileptischen Anfall sind Betroffene häufig sehr erschöpft und schlafen viel. Weitere vorübergehende Symptome («postiktale Symptome») nach einem Anfall sind Gedächtnisprobleme, depressive Verstimmungen oder Sprachstörungen. Viele Betroffene fühlen sich jedoch schon nach wenigen Minuten wieder gut und haben keine weiteren Beschwerden.

Anfallsformen

  • Absence: Kurze Anfälle typischerweise im Kindesalter, welche mit einer Trübung des Bewusstseins verbunden sind. Die Betroffenen scheinen in einem «Tagtraum» versunken zu sein und reagieren nicht auf Ansprache.
  • Myoklonischer Anfall: Anfälle verbunden mit Zuckungen einzelner Muskelgruppen in kurzer Folge. Die Betroffenen bleiben bei Bewusstsein.
  • Fokale Anfälle: Bei einem fokalen epileptischen Anfall sind begrenzte Hirnbereiche betroffen. Erstes Anzeichen eines fokalen Anfalls kann eine sogenannte Aura sein. Die Aura geht mit einer veränderten Wahrnehmung einher. So ist etwa das Riechen oder Schmecken verändert. Auch Schwindel, Halluzinationen oder Ängste können zu einer Aura gehören. Im weiteren Ablauf von fokalen Anfällen kann eine Vielzahl von Symptomen vorkommen. Die häufigsten sind Missempfindungen, automatisierte Bewegungen, Zuckungen, Sprachstörungen, starrer Blick, Trübung des Bewusstseins, etc. Fokale Anfälle können in generalisierte Anfälle übergehen (sekundäre Generalisierung).
  • Generalisierter tonisch-klonischer Anfall: Bei einem generalisierten tonisch-klonischen epileptischen Anfall (auch Grand Mal Anfall) sind beide Hirnhälften von dem Anfall betroffen. Es kommt zu einer Bewusstlosigkeit und zu Zuckungen und Verkrampfungen der Extremitäten. Die Betroffenen können sich auf die Zunge beissen, einnässen und sich durch Stürze verletzen.

Epilepsie: Diagnose bei uns

Ein einzelner Anfall bedeutet noch nicht, dass es sich tatsächlich um Epilepsie handelt. Denn Anfälle können auch andere Ursachen haben. Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt wird Sie bei Verdacht auf Epilepsie an die Neurologie überweisen. Dort wird zunächst abklären, ob es sich bei den Symptomen tatsächlich um einen epileptischen Anfall gehandelt hat, und es werden Ihnen verschiedene Fragen gestellt:

  • Gab es bestimmte Auslöser für den Anfall?
  • Hat sich der Anfall im Vorfeld angekündigt?
  • Welche Symptome sind während des Anfalls aufgetreten?
  • Wie lange hielt der Anfall an?
  • Welche Beschwerden bestanden nach dem Anfall?
  • Gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Anfälle?

Häufig können sich Betroffene nicht oder kaum an ihren Anfall erinnern. Hilfreich sind dann Angaben von Aussenstehenden, die den Anfall beobachtet haben. In solchen Situationen sind Videoaufnahmen des Anfalls (z.B. mit dem Smartphone) äusserst nützlich um zur richtigen Diagnose zu gelangen. Ist die Diagnose Epilepsie wahrscheinlich, veranlasst die Ärztin oder der Arzt weitere Untersuchungen.

Vorgehensweise zur Diagnose einer Epilepsie

Nach dem Erstgespräch werden wir Sie gründlich körperlich untersuchen. Wichtige zusätzliche Diagnoseverfahren sind:

  • Elektroenzephalogramm (EEG): Mit Hilfe eines EEG messen wir die Hirnströme. Diese werden in Form von Wellen auf einem Monitor sichtbar gemacht. Anhand von charakteristischen Mustern können wir erkennen, ob betroffene Personen zu epileptischen Anfällen neigen. Zunächst wird die Untersuchung über 20 Minuten durchgeführt. Bei unklaren Fällen ist es manchmal aber auch notwendig längere Ableitungen über mehrere Tage durchzuführen.
  • Magnetresonanztomografie (MRT): Ein MRT hilft uns herauszufinden, ob bestimmte Veränderungen im Gehirn die Anfälle auslösen. Auch können wir die Grösse und Beschaffenheit von Hirnregionen untereinander vergleichen, um auch leichte Veränderungen zu erkennen.
  • Computertomografie (CT): Wie auch das MRT dient eine CT-Analyse dazu Veränderungen im Gehirn festzustellen.
  • Positronenemissionstomographie (PET): Mittels PET kann bei Epilepsie ein verminderter Glucose-Metabolismus in bestimmten von Epilepsie betroffenen Arealen im anfallsfreien Intervall festgestellt werden.
  • Laboruntersuchungen: Nach einem Anfall sind bestimmte Blutwerte über mehrere Stunden erhöht. Ein Blutbild kann zudem Hinweise auf die Ursache der Epilepsie geben. Gegebenenfalls werden wir das Nervenwasser (Liquor) untersuchen.
  • Genetische Testung: bei Verdacht auf eine genetische Veranlagung oder Stoffwechselstörung kann eine genetische Testung veranlasst werden.

Um auszuschliessen, dass hinter der Epilepsie andere Ursachen stecken, können weitere Untersuchungen notwendig sein.

Ist es wirklich Epilepsie?

Viele andere Erkrankungen führen zu Beschwerden, welche epileptischen Anfällen ähneln können. Die Unterscheidung zwischen den möglichen Ursachen dieser Beschwerden ist häufig nicht einfach. Am USZ sind Spezialisten und Spezialistinnen aus allen Bereichen der Medizin vertreten, welche diese Ursachen abklären können. Um die richtige Diagnose zu stellen, ist häufig die Zusammenarbeit von vielen Disziplinen nötig.

Erkrankungen, welche epileptischen Anfällen ähneln können, beinhalten:

  • Hirnschläge und Streifungen: eine kurzfristige Durchblutungsstörung von Teilen des Gehirns kann zu Lähmungen, Sprachstörungen, oder Gefühlsstörungen führen. Dies ist ein medizinischer Notfall und muss rasch abgeklärt und behandelt werden. Spezialistinnen und Spezialisten für solche Erkrankungen sind Tag und Nacht an der Stroke Unit des USZ verfügbar.
  • Synkopen: Wird die Blutversorgung von beiden Gehirnhälften kurzzeitig unterbrochen, können die Betroffenen ohnmächtig werden. Ohnmachtsanfälle können durch bestimmte Situationen (rasches Aufstehen aus dem Liegen, stickige heisse Räume) ausgelöst werden. Jedoch kann auch eine Herzerkrankung vorliegen. Kollegen und Kolleginnen der Kardiologie klären solche Erkrankungen des Herzens ab.
  • Funktionelle Anfälle: Bei vielen Erkrankungen spielen psychische Faktoren eine wichtige Rolle. In manchen Fällen können rein psychische Erkrankungen zum Verlust des Bewusstseins oder zu unwillkürlichen Bewegungen führen. Die Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik behandelt psychische Erkrankungen am USZ.
  • Bewegungsstörungen: Unwillkürliche Bewegungen treten nicht nur bei epileptischen Anfällen auf. Spezialistinnen und Spezialisten für Bewegungsstörungen behandeln am USZ nicht nur die Parkinson Erkrankung, sondern auch weitere Erkrankungen wie Tremor, Dystonien und Tics.
  • Schwindel: Die Ursache für Stürze und Schwindel kann im Gleichgewichtssystem liegen. Auf die Abklärungen und Behandlung solcher Erkrankungen haben sich die Kolleginnen und Kollegen des Schwindelzentrums spezialisiert.

Epilepsie: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Wer einmal einen epileptischen Anfall hatte, bekommt nicht zwangsläufig einen zweiten. Erst wenn sich die Anfälle wiederholen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weitere auftreten. Epileptischen Anfällen kann man mit Medikamenten vorbeugen. In mehr als zwei Drittel der Fälle kann eine langfristige Anfallsfreiheit erreicht werden. Es ist zudem ratsam, bei einer diagnostizierten Epilepsie den Lebensstil anzupassen. Dazu zählen beispielsweise ein regelmässiger Schlafrhythmus, ausreichend Erholung und Reduktion des Alkoholkonsums. Eine Früherkennungsuntersuchung auf Epilepsie gibt es nicht.

Verlauf und Prognose Epilepsie

Wie stark eine Epilepsie ausgeprägt ist und wie häufig die Anfälle auftreten, variiert von Person zu Person. In vielen Fällen ist eine langfristige Behandlung notwendig. Wie die Erkrankung weiter verläuft, hängt unter anderem davon ab, was der Auslöser der Epilepsie war und wie gut die Behandlung anschlägt. In gewissen Fällen kann die Epilepsie auch wieder vorübergehen. Dies ist häufiger bei bestimmten Epilepsieformen in der Kindheit. Eine Epilepsie gilt als überwunden, wenn Betroffene mindestens zehn Jahre anfallsfrei bleiben und seit mindestens fünf Jahren keine Antiepileptika mehr einnehmen.

Selbsthilfegruppen

Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich. Selbsthilfe Zürich und das Universitätsspital Zürich sind Kooperationspartner im nationalen Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler».

Epilepsie: Behandlung mit Antiepileptika

Ein einzelner epileptischer Anfall muss nicht zwingend behandelt werden, wenn kein erhöhtes Risiko für weitere Anfälle nachgewiesen werden kann. Bei sehr selten auftretenden oder sehr leicht verlaufenden Anfällen wägen wir genau ab, ob und welche Therapie in Frage kommt.

Die meisten Patientinnen und Patienten mit Epilepsie nehmen zur Vorbeugung von Anfällen langfristig Medikamente ein – sogenannte Antiepileptika. Mit solchen Medikamenten kann bei mehr als zwei Dritteln der Epilepsie-Patientinnen und Epilepsie-Patienten eine Anfallsfreiheit erreicht werden. Erzielt die medikamentöse Therapie nicht den gewünschten Erfolg, gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten.

Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.