Arzneimittelallergie

Arzneimittelexanthem

Sie haben gerade eine Schmerztablette genommen. Mit einem Schlag rötet sich Ihre Haut, schwillt an und juckt. Sie haben den Eindruck, einen Kloss im Hals zu haben, können nicht schlucken, fühlen sich schwach und schwindlig. Das sind die Akutsymptome, die eine Arzneimittelallergie hervorrufen kann. Der allergische Hautausschlag, der die Allergie oft begleitet, heisst Arzneimittelexanthem.

Überblick: Was ist eine Arzneimittelallergie, Arzneimittelexanthem?

Reagiert Ihr Körper empfindlich auf bestimmte Inhaltsstoffe von Medikamenten, kann es sich um eine Arzneimittelallergie handeln. Allerdings sind die auftretenden Symptome meistens nicht allergischen Ursprungs. In 80 Prozent der Fälle handelt es sich um unerwünschte Nebenwirkungen. Eine Allergie besteht, wenn nicht die Nebenwirkung des Arzneistoffs die Ursache ist, sondern eine Immunantwort Ihres Körpers. Wir sprechen von einer Arzneimittelallergie, wenn Ihr Immunsystem sie ausgelöst hat. Es antwortet mit einer gesteigerten oder übersteigerten Reaktion auf bestimmte Inhaltsstoffe von Medikamenten. Bekommen Sie als Folge einen entzündlichen Hautausschlag, sprechen wir von einem Arzneimittelexanthem. Der Ausschlag kann sich auf ein bestimmtes Areal begrenzen oder Ihren ganzen Körper überziehen. Oft gehen die Symptome von selbst zurück.

Prinzipiell birgt jeder medikamentöse Wirkstoff das Potenzial, eine Arzneimittelallergie oder ein Arzneimittelexanthem auszulösen.

  • Es kann relevant sein, wie Ihr Stoffwechsel einen Arzneistoff verarbeitet, ob er sich in Ihrem ganzen Körper verteilt, sich in wenigen Zellen oder sogar in einem speziellen Teil davon konzentriert. Auch kann eine bestimmte genetische Veranlagung die gewünschte Verarbeitung verhindern.
  • Nicht zuletzt kann eine Substanz erst während des Verarbeitungsprozesses im Organismus allergieauslösend werden.
  • Wenn auch praktisch alle Medikamente als Auslöser von Allergien in Frage kommen, haben manche doch ein höheres Potenzial. Dazu gehört beispielsweise gewisse Antibiotika, Narkosemittel oder auch Schmerzmittel. Dabei kann die Reaktion alle bekannten Formen annehmen (etwa Asthma, Hautausschlag, Herzrhythmusstörungen, erniedrigter Blutdruck, Übelkeit, Erbrechen). Daneben verursachen andere ebenfalls häufig eingesetzte Arzneimittel – wie beispielsweise das herzstärkende Digoxin– extrem selten eine Allergie.
  • Manchmal erfolgt die Immunreaktion gar nicht auf den Wirkstoff selbst, sondern auf einen Hilfs- oder Zusatzstoff im Medikament, beispielsweise Füllmittel, Stabilisatoren, Geschmacks- und Farbstoffe.
  • Auch die Verabreichung eines Medikaments hat Einfluss auf sein Risikopotenzial: Beispielsweise rufen äusserlich auf die Haut aufgetragene Mittel öfter einen Hautausschlag hervor als innerlich per Spritze oder Tablette verabreichte; die beiden letzten Abgabeformen sind dafür eher an schweren allergischen Reaktionen beteiligt.

Arzneimittelallergie, Arzneimittelexanthem: Ursachen und Risikofaktoren

Kommt es zu einer Arzneimittelallergie oder einem medikamentös bedingten Hautausschlag (Arzneimittelexanthem), ist dafür eine Fehlregulation und überschiessende Abwehrreaktion Ihres Immunsystems auf bestimmte im Medikament enthaltene Substanzen verantwortlich.

Ursachen für eine Arzneimittelallergie mit Arzneimittelexanthem

Bei örtlicher Anwendung kommen folgende Wirkstoffe häufig in Frage

  • Antibiotika und Chemotherapeutika: Neomycin, Gentamicin, Streptomycin, Penicillin, Sulfonamide, Imidazole
  • H1-Rezeptorantagonisten: Antihistaminika, zum Beispiel in Gelform (nicht aber als Tabletten)
  • Lokalanästhetika (Mittel zur örtlichen Betäubung): Procain und Lidocain
  • Desinfektionsmittel (Chlorhexidin)

Bei innerlicher Anwendung kommen folgende Wirkstoffe in Frage

  • Antibiotika und Chemotherapeutika: Cephalosporine, Chloramphenicol, Nitrofurantoin, Penicilline, Sulfonamide
  • Antiepileptika: Phenytoin, Carbamazepin
  • Antipilzmittel: Amphotericin B, Clotrimazol
  • Blutersatzmittel: Dextran, Gelatine
  • Herz- und Kreislaufmittel: Hydralazin, Procainamid, Methyldopa, ACE-Hemmer
  • Hormone: Insulin, orale Antidiabetika
  • Malariamittel: Chinin
  • Muskelrelaxanzien: Suxamethonium
  • Psychopharmaka: Neuroleptika und trizyklische Antidepressiva
  • Schilddrüsenmedikamente: Jod, Mercaptoimidazole, Thiouracile
  • Schlafmittel (Barbiturate)
  • Schmerzmittel und Rheumamittel: Acetlysalicalsäure und andere sogenannte nicht-steroidale Entzündungshemmer (Diclofenac, Mefenaminsäure) Pyrazolone (Metamizol), Oxicame, Goldpräparate und D-Penicillamin
  • Tuberkulosemittel: Isoniazid

Auch in einem Medikament enthaltene Konservierungsmittel können eine Arzneimittelallergie hervorrufen. Dazu gehören Benzalkoniumchlorid, Parabene-Mix und Thiomersal.

Risikofaktoren für eine Arzneimittelallergie mit Arzneimittelexanthem

Wenn Sie bestimmte Risikofaktoren haben, machen diese den Ausbruch einer Arzneimittel-Überempfindlichkeit wahrscheinlicher:

  • Sie sind weiblich.
  • Sie sind zwischen 20 und 49 Jahren alt. (Sind Sie älter, treten Unverträglichkeiten seltener auf, können dafür gravierender verlaufen.)
  • Sie nehmen ein Medikament unregelmässig ein oder steigern plötzlich die Dosis.
  • Sie erleiden gerade einen Virusinfekt (z. B. Herpes, HIV).
  • Ihr Immunsystem ist gestört.
  • Sie sind an Krebs erkrankt.
  • Sie leiden an einer Mastozytose (Hautform oder generalisierte Form), die die Ausprägung einer anaphylaktischen Reaktion auf Histamin-freisetzenden Arzneimittel verstärken kann.

Bekannte Auslöser sind unter anderem Betalaktam-Antibiotika, muskelentspannende Medikamente in der Anästhesie und Röntgenkontrastmittel.

Arzneimittelallergie, Arzneimittelexanthem: Symptome

In 80 Prozent der Fälle manifestiert sich eine Arzneimittelallergie auf Ihrer Haut, den Schleimhäuten, den Schweiss- und Talgdrüsen oder den Nägeln. Oft zieht sich ein entzündlicher allergischer Hautausschlag (Arzneimittelexanthem) über grosse Bereiche, von Juckreiz begleitet. Daneben können sich weitere Hautveränderungen zeigen wie:

  • Ödeme (krankhafte Flüssigkeitsansammlung im Gewebe)
  • Rötungen
  • Schwellungen
  • Nesselsucht (Urtikaria) mit Quaddeln

Beispiele für allergische Symptome der Haut:

  • Angioödem (auch bekannt als Quincke-Ödem)
  • EEM-ähnliche Exantheme (EEM = Erythema exsudativum multiforme): Hauterkrankung, durch die sich wasser- oder blutgefüllte Blasen bilden und die Haut sich ablöst
  • Hautausschlag, entzündlich, fleckig, mit Knötchen (makulopapulöses Exanthem)
  • Hautrötung (Purpura) mit Fleckenbildung
  • Kontaktdermatitis
  • Nesselsucht (Urtikaria),
  • photoallergische Dermatitis

Wenn Sie erstmals auf ein Arzneimittel allergisch reagieren, sind die Auswirkungen meist schwach. Typischerweise nehmen die Symptome zu, wenn Sie es immer wieder nutzen. Zu den Reaktionen der Haut können sich noch andere zeigen. Beispielsweise:

  • Atemnot
  • Benommenheit
  • Kreislaufprobleme bis hin zum Zusammenbruch
  • Schleimhautschwellung
  • Schweissausbruch
  • Schwindel
  • Übelkeit

Der Schweregrad Ihrer allergischen Reaktion hängt nur beschränkt von der Dosierung des Medikaments ab: Selbst kleine Einheiten können ein deutliches Arzneimittelexanthem oder andere starke Symptome hervorrufen.

Schwer verlaufende Formen der Arzneimittelallergie

Fällt Ihre Arzneimittelallergie massiv aus und erhalten Sie keine angemessene Therapie, kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Ein Arzneimittelexanthem kann als erstes Symptom darauf hinweisen, dass im weiteren Verlauf weitere Organe betroffen sein können.

Die schwerste Form einer generalisierten Reaktion ist die Anaphylaxie, der anaphylaktische Schock, der lebensbedrohlich sein kann sowie Arzneimittelexantheme mit Blasenbildung oder Blutbild- und Leberbeteiligung.

  • Arzneimittelfieber,
  • Serumkrankheit,
  • Vaskulitiden und
  • Autoimmunerkrankungen, etwa systemischer Lupus erythematodes.
  • Anaphylaxie: Umgangssprachlich ist die akut auftretende Reaktion auf ein Allergen als anaphylaktischer Schock bekannt. Er betrifft mehrere Organsysteme bzw. den ganzen Körper, führt zu Atemnot, Blutdruckabfall, Herz- und Kreislaufproblemen binnen Minuten nach Kontakt mit dem Allergen. Atemstillstand und Herzversagen sind verantwortlich für einen tödlichen Verlauf der Anaphylaxie.
  • Stevens-Johnson-Syndrom: Hohes Fieber, sehr schlechtes Allgemeinbefinden und ein blasiger Ausschlag an den Schleimhäuten sind die Symptome. Betroffen sein können die Augenbindehaut, die Schleimhäute des Mundes, der Vagina, der Harnblase, des Rektums. Als maximale Komplikation führt das Stevens-Johnson zum Lyell-Syndrom.
  • Lyell-Syndrom (toxische epidermale Nekrolyse, TEN): Die Oberhaut entzündet sich grossflächig. Es bilden sich Blasen, grosse Bereiche lösen sich und sterben ab (Nekrose). Die betroffenen Hautbereiche ähneln verbrannter Haut. Zusätzlich zu den Hautreaktionen treten häufig schwere weitere Reaktionen auf, zum Beispiel eine Bronchopneumonie oder Nierenversagen. Hier ist eine unverzügliche Abklärung und Behandlung in einer spezialisierten Klinik und eine enge Zusammenarbeit von verschiedenen Fachbereichen (wie Dermatologie, Verbrennungsabteilung, Innere Medizin und Allergologie) eminent wichtig.
  • DRESS: Drug related eosinophilia with systemic symptoms: Schwere Medikamentenüberempfindlichkeit mit Erhöhung gewisser weisser Blutzellen (Eosinphile Granulozyten) sowie oft Leber- und Hautbeteiligung. Kann zum Organversagen (Herz, Leber) und damit –glücklicherweise sehr selten – zum Tod führen.

Schwere Überempfindlichkeitsreaktionen wie das Lyell-Syndrom führen selbst nach Abheilung oft zu einer monate- bis jahrelangen Belastungssituation mit Schmerzen der betroffenen Schleimhäute aber auch Ängsten vor dem erneuten Auftreten etwa bei anderen Medikamenten. Hierfür gibt es in den letzten Jahren entsprechende Programme, um dies aufzufangen und Betroffenen bei Bedarf eine adäquate Langzeitbetreuung zu bieten.

Arzneimittelallergie, Arzneimittel­exanthem: Diagnose bei uns

Die erste Aktion, um eine Arzneimittelallergie zu diagnostizieren, ist, dass Sie das unter Verdacht stehende Medikament sofort absetzen und einen Arzt kontaktieren: Verschwinden die Symptome, gibt das für uns einen signifikanten Hinweis darauf, dass es die allergische Reaktion hervorrief.

Falls Sie mehrere Arzneimittel einnehmen, erschwert das die Diagnose deutlich. Das liegt daran, dass sich nicht von der Art der Symptome auf ein Arzneimittel schliessen lässt.

Zudem kann es passieren, dass das allergische Symptom oder die Symptome zeitlich nicht mit der Erstanwendung des Arzneimittels zusammentreffen. Auch können die Symptome vorerst bestehen bleiben, selbst wenn Sie das Arzneimittel abgesetzt haben, was die Identifizierung des Allergieauslösers erschwert.

Auch bestehen Ähnlichkeiten der Symptome mit anderen Erkrankungen, weshalb eine Arzneimittelallergie möglicherweise nicht identifiziert wird. Sicherheitshalber sollten Sie immer Fachleute der Allergologie aufsuchen, wenn Sie im Rahmen einer Therapie mit Medikamenten Anzeichen einer Allergie entwickeln: Denn bleibt der Auslöser unbekannt, können bei erneuter Anwendung des Wirkstoffs, möglicherweise als Bestandteil eines anderen Medikaments, schwere allergische Reaktionen auftauchen.

An spezialisierten Zentren wie unsere Allergiestation steht eine Vielzahl von Hauttests und Laboruntersuchungen zur Verfügung, um bei Verdacht auf Arzneimittelallergie den auslösenden Stoff identifizieren oder erlaubte Medikamente bestimmen zu können. Manchmal kann dazu auch die Gabe eines vermutlich auslösenden oder tolerierten Medikaments als Tablette, Spritze oder Infusion notwendig sein. Solche Tests sind für die Betroffen aber leider sehr zeitaufwendig und bedingen drei, vier oder noch mehr Konsultationen. Daher werden diese vor allem bei schweren Reaktionen durchgeführt oder wenn das Verbot sowie die Erlaubnis für ein gewisses Medikament eine grosse Tragweite hat.

Die Labors der Klink für Immunologie bieten eine breitgefächerte Diagnostik für Allergien an.

Arzneimittelallergie, Arzneimittelexanthem: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Sie können einer Arzneimittelallergie und einem Arzneimittelexanthem nicht vorbeugen, da Ihr Organismus grundsätzlich auf alle Medikamente allergisch reagieren kann. Es gibt auch keine spezielle Möglichkeit der Früherkennung.

Vorbeugen – Sie können sich aber schützen

  • Sollten wir Ihnen ein neues Medikament verschreiben, dann informieren Sie uns unbedingt darüber, falls Sie früher eine allergische Reaktion auf Arzneistoffe gezeigt haben.
  • Lassen Sie sich einen Allergiepass ausstellen und tragen Sie ihn immer mit sich. Sollten Sie in einer Notfallsituation nicht ansprechbar sein, kann der Pass Ihr Leben retten.
  • Falls Sie sich mit einem nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Apotheke selbst behandeln wollen, sprechen Sie mit der Apothekerin oder dem Apotheker über Ihre Arzneimittelallergie.
  • Sollten Sie auf Konservierungsstoffe in einem Medikament mit allergischen Symptomen reagiert haben, sollte sie versuchen, nur Medikamente ohne diese Zusatzstoffe einzusetzen.

Arzneimittelallergie, Arzneimittel­exanthem: Prognose 

Die Prognose hängt von der Stärke Ihrer allergischen Symptome ab: Ein Arzneimittelexanthem heilt meist innerhalb weniger Tage ab.

Sollten sehr starke allergische Reaktionen aufgetreten sein, können bis zur endgültigen Abheilung auch Wochen vergehen.

Arzneimittelallergie, Arzneimittelexanthem: Behandlung

Der logische erste Schritt der Therapie ist, dass Sie sofort das unter Verdacht stehende Medikament absetzen. Sollten Sie verschiedene Präparate nutzen, dann kann es allerdings schwierig werden, den Auslöser zu identifizieren, weshalb zeitnah ein Arzt kontaktiert werden sollte.

Für die Behandlung eines kleinflächigen Arzneimittelexanthems kann es genügen, ein Kortikoid oder Antihistaminikum als Salbe aufzutragen. In schwereren Fällen wird Ihnen Kortison und Antihsitaminika als Tablette oder als Infusionslösung verabreicht.

Es ist nicht immer möglich, auf das zur Behandlung notwendige Medikament zu verzichten. Beispielsweise sichert Insulin unter Umständen das Leben von Diabetikern und Diabetikerinnen. Sie können es nicht absetzen, auch wenn sie allergisch darauf reagieren. In dem Fall wird versucht, eventuell auf einen anderen Insulinstoff auszuweichen. Die Betroffenen nehmen vorbeugend Kortison oder Antihistaminika ein, um die allergischen Reaktionen abzuschwächen.

Auch eine sogenannte Desaktivierung oder Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) kann unter Umständen die Toleranz gegenüber einem lebenswichtigen Medikament steigern. Dieses Verfahren kommt insbesondere dann zum Zug, wenn keine Alternativen zu einem möglicherweise ausösenden Medikament bestehen, wie dies etwa bei der Krebstherapie, gewissen Infektionen oder der Behandlung von Epilepsien der Fall ist. Solche Desaktivierungen sind sehr heikel und bedingen eine grosse allergologische Erfahrung und entsprechend ausgerüstete Infrastruktur zur Behandlung allfälliger allergischer Reaktionen, können dann aber in vielen Fällen sehr erfolgreich den Gebrauch solcher dieser Medikamente wieder ermöglichen.