Akutes Lungenversagen

ARDS, Acute Respiratory Distress Syndrom

Ein akutes Lungenversagen ist lebensgefährlich und wir müssen es sofort behandeln. Sonst drohen schwere Komplikationen wie ein Multiorganversagen oder der Tod.

Es gibt mehrere Ursachen für das „Acute Respiratory Distress Syndrom“ – kurz ARDS. Beispiele sind eine Lungenentzündung und Blutvergiftung, aber auch das Einatmen von Rauch, giftigen Dämpfen oder Wasser. Erkennbar ist das akute Lungenversagen an Symptomen wie Atemnot, schneller Atmung, beschleunigtem Herzschlag und einer Blaufärbung der Haut wegen des Sauerstoffmangels. Ärztinnen und Ärzte müssen viele Betroffene mit ARDS künstlich beatmen, um ihr Leben zu retten.

Überblick: Was ist ein akutes Lungenversagen?

Ein akutes Lungenversagen ist ein lebensbedrohlicher Zustand und immer ein Fall für die Intensivmedizin. Die Lunge ist dabei so schwer geschädigt, dass sich dort Flüssigkeit ansammelt und sich die Funktion erheblich verschlechtert. Dadurch erhalten Organe und Gewebe nicht mehr genügend Sauerstoff und Nährstoffe. Ohne sofortige Behandlung endet das akute Lungenversagen oft tödlich. Die Lungenerkrankung hat noch viele andere Namen: Akutes Atemnotsyndrom, Schocklunge, Atemnotsyndrom des Erwachsenen oder im Englischen „Acute Respiratory Distress Syndrome“, abgekürzt ARDS.

Die Ursachen für das akute Lungenversagen können Krankheiten wie eine Lungenentzündung sein. Aber auch das Einatmen von Rauch und Giftgasen sowie Verletzungen der Lunge durch einen Unfall sind mögliche Gründe. Die Symptome des ARDS sind Atemnot, schnelle Atmung und beschleunigter Herzschlag. Patientinnen und Patienten fühlen sich zunehmend erschöpft und die Haut verfärbt sich bläulich. Schliesslich verstärkt sich die Atemnot immer weiter, bis oft eine künstliche Beatmung nötig ist. Sie gewährleistet die Sauerstoffversorgung und verbessert die Überlebenschancen.

Ärztinnen und Ärzte behandeln immer den Verursacher des akuten Lungenversagens, also beispielsweise die Lungenentzündung. Dazu kommen weitere unterstützende Therapien, etwa Schmerzmittel, kreislaufstabilisierende Medikamente oder Blutverdünner. Trotz der intensiven Behandlung ist das ARDS mit einer hohen Sterblichkeit verbunden.

Akutes Lungenversagen – Häufigkeit und Alter

Weltweit liegt die Häufigkeit des akuten Lungenversagens zwischen 13 und 69 pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohnern pro Jahr – je nach Literatur und Studie. Etwa sieben Prozent aller Betroffenen, die Ärztinnen und Ärzte auf der Intensivstation behandeln, entwickeln ein ARDS. Diese Zahl erhöht sich auf 12,5 Prozent, wenn Patientinnen und Patienten länger als 24 Stunden auf der Intensivstation bleiben.

Ein akutes Lungenversagen kann prinzipiell Menschen jeglichen Alters betreffen: Neugeborene, Kinder, Jugendliche, Erwachse und ältere Menschen. Bei betagteren Personen sind oft Krankheiten der Grund für das ARDS.

Akutes Lungenversagen: Ursachen und Risikofaktoren

Ein akutes Lungenversagen kann verschiedene Ursachen haben. Die Gründe können in einer direkten Schädigung der Lunge selbst, aber auch ausserhalb dieses Organs liegen. Allen gemeinsam ist, dass akute entzündliche Prozesse die Lunge schädigen.

Akutes Lungenversagen: Ablauf in Stadien

Der Prozess des akuten Lungenversagens lässt sich anhand verschiedener Stadien und Prozesse beschreiben:

  • Aus den Blutgefässen gelangt vermehrt Flüssigkeit in die Lunge und es entwickelt sich ein Lungenödem. Besonders betroffen sind die Lungenbläschen (Alveolen) sowie ihr Schutzfilm.
  • Entzündungsbotenstoffe und Immunzellen sammeln sich in der Lunge an. Aufgrund der Entzündung vermehrt sich das Bindegewebe in der Lunge – es kommt zur Fibrose. Die Lunge kann sich dadurch schlechter ausdehnen und wird nicht mehr ausreichend belüftet.
  • Die Lungenbläschen kollabieren beim Ausatmen und ein normaler Gasaustausch in der Lunge sowie die Sauerstoffversorgung des Körpers sind nicht mehr möglich.

Ursachen innerhalb und ausserhalb der Lunge

Folgende Ursachen können unter anderem ein Acute Respiratory Distress Syndrome auslösen:

  • Lungenentzündung (Pneumonie) – durch Bakterien, Viren und andere Erreger, diese Lungenerkrankung ist die häufigste Ursache für ein ARDS.
  • Blutvergiftung (Sepsis)
  • Embolie, z.B. Fett- oder Fruchtwasserembolie
  • Einatmen von Mageninhalt oder Wasser (Beinahe-Ertrinken)
  • Schwere Verletzungen der Lunge (Lungentrauma), z.B. Lungenquetschung durch einen Unfall
  • Akute, schwere Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis)
  • Inhalation von Rauch, Chemikalien oder Giftgasen
  • Infektionen ausserhalb der Lunge
  • Polytrauma: Mindestens eine lebensgefährliche Verletzung oder mehrere Verletzungen, die in der Kombination lebensbedrohlich sind.
  • Verbrennungen
  • Schock
  • Viele Bluttransfusionen
  • Überdosis an Drogen

Daneben sind eventuell das Rauchen (je nach Dosis) und chronischer Alkoholmissbrauch Risikofaktoren für das ARDS.

Symptome: Akutes Lungenversagen verursacht Atemnot

Die Symptome bei einem ARDS setzen in der Regel innerhalb einer Woche nach dem einwirkenden Auslöser beziehungsweise dem ursächlichen Ereignis ein. Ein akutes Lungenversagen verläuft in mehreren Phasen, die jeweils mit verschiedenen Symptomen verbunden sind:

  • Atemnot, beschleunigte Atmung
  • Schneller Herzschlag
  • Unruhe
  • Zunehmende Erschöpfung – das Atmen fällt immer schwerer
  • Blaufärbung der Haut (Zyanose der Finger, Lippen) aufgrund des Sauerstoffmangels
  • Ausgeprägte Atemnot
  • Rasselgeräusche in der Lunge
  • Atemversagen – eine Beatmung ist nötig

Ärztinnen und Ärzte unterscheiden beim ARDS drei Schweregrade – je nach Ausmass des Sauerstoffmangels: mild, moderat und schwer. Davon hängen die Wahl der Behandlung und die Überlebenschancen ab.

Akutes Lungenversagen: Diagnose bei uns

Ein akutes Lungenversagen ist ein Notfall, den wir schnell erkennen und behandeln müssen. Sonst ist die Prognose ungünstig. Bei der Diagnose ARDS beginnen wir zunächst mit der Krankengeschichte (Anamnese). Wichtig sind die Art, Intensität und der Ort der Symptome, aber auch, wann die Beschwerden erstmals eingesetzt haben. Eine Rolle spielen zudem bestehende Erkrankungen (z.B. Lungenentzündung), auslösende Ereignisse wie ein Unfall (z.B. Einatmen von Gasen), Verletzungen der Lunge oder die Einnahme von Drogen.

Akutes Lungenversagen – Untersuchungen zur Diagnose

Danach folgt eine körperliche Untersuchung, bei der wir das Herz und die Lunge mit dem Stethoskop abhören. Ungewöhnliche Geräusche beim Atmen oder Störungen der Herztätigkeit lassen sich so aufspüren. Zudem klopfen wir die Lunge ab. Weitere Hinweise liefern vorhandene Symptome wie eine Blaufärbung der Haut, Atemnot, beschleunigte Atmung, schneller Herzschlag, Unruhe oder Verwirrtheit.

In der Regel schliessen sich weitere Untersuchungen an. Die wichtigsten sind:

  • Blutuntersuchung: Bestimmung der Entzündungswerte C-reaktives Protein (CRP), Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Leukozyten sowie weiterer Blutwerte.
  • Röntgenuntersuchung – Zeigt das Ausmass der Lungenveränderungen und dient für die Beurteilung des Behandlungserfolges.
  • Sputumanalyse: Untersuchung des Auswurfs im Labor, z.B. auf Bakterien, Viren, Pilze
  • Blutgasanalyse: Wir bestimmen, wie gut der Körper mit Sauerstoff versorgt ist. Die Blutgase Sauerstoff und Kohlendioxid liefern Hinweise darauf.
  • Ultraschalluntersuchung (Sonografie)
  • Computertomografie (CT): Dient der Darstellung des Lungengewebes. Es ist ein wichtiges Hilfsmittel um die Art der Lungenveränderungen zu erkennen und von anderen Erkrankungen abgrenzen zu können.
  • Echokardiografie (Herzultraschall), um ein Lungenödem aufgrund einer Herzerkrankung auszuschliessen.
  • Rechtsherzkatheter, um zwischen einem ARDS und einem herzbedingten Lungenödem zu unterscheiden.

Akutes Lungenversagen – Kriterien zur Diagnose

Wir diagnostizieren ein ARDS anhand verschiedener Kriterien, zum Beispiel, wenn:

  • die Symptome akut eingesetzt haben, etwa innerhalb einer Woche nach dem Einwirken des Auslösers oder Ereignisses,
  • sich die Atemwegsbeschwerden rasch verschlimmert haben,
  • auf einer Röntgenaufnahme Flüssigkeit in der Lunge (Lungenödem) erkennbar ist,
  • ein Lungenversagen ohne bekannten Grund auftritt, etwa einer Herzschwäche oder
  • sich im Blut ein Sauerstoffmangel (Hypoxämie) nachweisen lässt.

Akutes Lungenversagen: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Besondere Massnahmen zur Vorbeugung und Früherkennung eines akuten Lungenversagens gibt es nicht. Daher gilt allgemein: Gehen Sie immer zeitnah zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn Sie Atemwegsprobleme und andere Beschwerden haben.

 

Lassen Sie ausserdem bestehende Krankheiten wie eine Lungenentzündung immer rechtzeitig und ausreichend behandeln. Und wenn Sie einen Unfall im Alltag, Haushalt oder Beruf hatten, etwa mit giftigen Dämpfen, Gasen oder Chemikalien, ist ebenfalls ein Arztbesuch nötig. Ansonsten sollten Sie immer ausreichende Schutzmassnahmen treffen, wenn Sie damit hantieren.

Verlauf und Prognose bei akutem Lungenversagen

Der Verlauf und die Prognose bei einem akuten Lungenversagen sind nicht allgemein vorhersagbar. Eine Rolle spielt es, wie schwer das ARDS ist und ob Ärztinnen und Ärzte es schnell diagnostizieren und behandeln. In vielen Fällen ist die Prognose jedoch ungünstig und die Betroffenen überleben das akute Lungenversagen nicht. Das ARDS kann ein Multiorganversagen und schliesslich den Tod hervorrufen. So liegt die Sterberate für Menschen mit einem ARDS zwischen 27 und 45 Prozent.

Das höchste Sterberisiko bei einem akuten Lungenversagen haben ältere Menschen und Personen, die noch andere Grunderkrankungen haben, etwa ein Herz-Kreislauf-Leiden. Dagegen haben junge Menschen, bei denen das akute Lungenversagen die Folge einer Verletzung ist, die besten Chancen auf vollständige Genesung im Laufe der nächsten sechs bis zwölf Monate.

Akutes Lungenversagen: Behandlung bedeutet meist Beatmung

Bei einem akuten Lungenversagen ist es wichtig, dass die Behandlung schnell beginnt. Bisher gibt es keine Medikamente, mit denen wir das ARDS therapieren können. Wichtig ist es, die Ursache der Erkrankung beziehungsweise den Auslöser auszuschalten. Wir behandeln Betroffene mit einem akuten Lungenversagen auf der Intensivstation. Dort überwachen wir engmaschig sämtliche Vitalfunktionen und überprüfen Ihren Gesundheitszustand. Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.