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«Die veralteten Technologien waren unpräziser, als wir meinten»

Zuletzt aktualisiert am 14. Dezember 2021 Erstmals publiziert am 12. Juni 2018

Martin Brüesch ist Leitender Arzt am USZ. «Ohne moderne Technik wird man auf den medizinischen Stand von früher zurückgeworfen», sagt er im Interview. Für die betroffenen Patientinnen und Patienten wäre ein Ausfall der ICT, zum Beispiel aufgrund einer Cyber-Attacke, so einschneidend, dass man sie in andere Spitäler verlegen müsste.

Martin Brüesch, worin sehen Sie für die Patientinnen und Patienten als Anästhesiologe die Hauptgefahren von Cyber-Attacken?
Mit dem technologischen Fortschritt sind die Diagnosen viel präziser geworden und die Behandlungen viel wirksamer. Wenn diese Errungenschaften plötzlich ausfallen, wird die Medizin auf den Stand von früher zurückgeworfen.

Können Sie ein Beispiel machen?
Herzfehler wurden früher mit dem Stethoskop diagnostiziert. Die Chirurgen operierten die Patienten aufgrund von auffälligen klinischen Zeichen. Das genaue Ausmass des Herzfehlers erkannten sie häufig erst während der Operation. Mit der Ultraschalltechnologie von heute können sich die Ärzte ein ganz genaues Bild über den Herzfehler machen und die Operation bis ins Detail planen. Damit ist die Behandlung sehr viel sicherer geworden.

Was bedeutet ein Ausfall der ICT für die Patientinnen und Patienten?
Sie könnten im betroffenen Spital nicht mehr nach dem aktuellen Stand der Medizin behandelt werden. Ein Spital muss dann unter Umständen viele Patientinnen und Patienten an andere Institutionen überweisen.

Und was passiert, wenn die Medizintechnik sämtlicher Spitäler über eine längere Zeit nicht zur Verfügung steht?
Dann müssen Ärztinnen und Ärzte improvisieren. Erschwerend ist dabei, dass die analoge Technik meist nicht mehr zur Verfügung steht. Die analogen Röntgen-Geräte von früher sind zum Beispiel längst entsorgt. Wir wissen heute auch, dass die veralteten Technologien und Verfahren teilweise viel unpräziser waren, als wir damals meinten. Es würde uns deshalb noch schwerer fallen, diese bei Patienten wieder anzuwenden. Jüngere Ärzte können mit den veralteten, analogen Instrumenten von früher auch gar nicht mehr umgehen.

Was weiss man heute über die Patienten, wenn die ICT im Spital ausfällt?
Wir sind näher am papierlosen Spital als am papierlosen Büro: Die Krankengeschichten sind elektronisch, die Verordnungen sind elektronisch, die Resultatrückmeldungen sind elektronisch. Damit haben wir viel Sicherheit für die Patienten gewonnen, weil Algorithmen unser Tun überwachen. Wenn diese Systeme jedoch ausfallen, müssen wir auf Notfallszenarien ausweichen. Diese sind zwar vorhanden, aber der Umgang damit kann im laufenden Betrieb gar nicht geübt werden.

Wie schützten sich Spitäler vor diesen Gefahren?
Genau darüber diskutieren wir an unserem Symposium zu Gefahren durch Hackerangriffe, das wir am USZ organisieren. Die Herausforderungen sind vielfältig und Lösungen müssen interprofessionell angepackt werden – unter anderem von IT-Spezialisten, Medizintechnikern Medizinern und Sicherheitschefs. Wir bieten eine Plattform, um den wichtigen Austausch zu ermöglichen. Patentrezepte gibt es keine.

Dr. Martin Brüesch ist Leitender_x000D_
Arzt am Institut für Anästhesiologie des USZ. Er ist Mitorganisator des
27. Symposiums für präklinische und klinische Notfallmedizin zum Thema «Wenn der Wurm drin ist: Ansätze zum_x000D_
Schutz gegen Cyber-Attacken im Gesundheitswesen».